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06.01.2011 | 18:47 | Dioxin-Skandal 

Im Milliarden-Geschäft mit Futtermitteln mischen viele mit

Berlin - Es ist gigantisch, das Milliarden-Geschäft mit Futtermitteln: 70 Millionen Tonnen werden pro Jahr in Deutschland verfüttert. 128 Millionen Federtiere, 27 Millionen Schweine und 13 Millionen Rinder müssen gefüttert werden. Meist unter großem Kostendruck, denn die meisten Verbraucher wollen billiges Fleisch.

Futterweizen
Viele mischen mit - Züchter, Landwirte und Kontrolleure treffen auf ein weit verzweigtes Geflecht von Herstellern und Lieferanten. Die heimische Produktion überwiegt zwar; aber etliche Rohstoffe werden aus dem Ausland bezogen. Rund 7,5 Milliarden Euro setzt die Futtermittelbranche in Deutschland um, allein auf die Mischfutterindustrie entfallen jährlich sechs Milliarden Euro.

Was in den Futtertrog kommt, das ist so reichhaltig wie vielfältig. Um möglichst viel Masse in möglichst kurzer Zeit zu erzeugen, wird auch Fett beigemischt: «So versetzt man den Tieren einen ungeheuren Energie-Push», sagt Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

In der Futtermittelbranche sieht er einen «kriminellen Sumpf, der dringend trockengelegt gehört». Denn beim Thema Gift-Futter glaubt Baringdorf weder an Zufälle, noch an Unfälle wie «umgefallene Eimer» in Produktionsstätten. Vielmehr seien «Hasardeure ohne jede Hemmungen» am Werk: «Wir haben es mit einer Schattenwirtschaft zu tun: Kriminelle gründen immer neue Fett-Firmen, in denen sie hochbelastete Fette systematisch mit weniger belasteten verschneiden.»

«Völlig aus der Luft gegriffen», widerspricht Knut Schubert vom Lobbyverband der Futtermittelindustrie DVT vehement. In der Dioxin-Affäre sieht er einen «Einzelfall» - und spricht von einem «schwarzen Schaf», das eine ganze Branche in Misskredit bringen kann. Auch werde die Rolle der Futterfette überschätzt. Im Schweinefutter bildeten diese lediglich einen Anteil von 0,5 Prozent, beim Geflügelfutter seien es ein bis zwei Prozent, rechnet der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) in Bonn vor.

Querdenker zu Baringdorf rügt, dass die Öffentlichkeit erst von einem «Dioxin-Skandal» spreche, wenn ein Deal enthüllt werde. Der eigentliche Skandal liege aber darin, «dass die Futtermittelhersteller ihre Zulieferungen nicht kontrollieren, sondern beide Augen zudrücken und hinterher sagen, sie hätten von nichts gewusst». Und setzt noch eins drauf: «Ein Hersteller, der Giftmischungen kauft, ist für mich ein Hehler. Und bei uns in Westfalen sagt man:, Der Hehler ist schlimmer als der Stehler.»

Die Futtermittelindustrie verweist auf umfangreiche Kontrollen, die in der Hand der Länder liegen, aber vor allem auch auf die freiwillige Selbstkontrolle. Nach dem wirtschaftseigenen Prüfsystem QS müssen die Unternehmen Leitlinien erfüllen und regelmäßig Proben abliefern, so auch für die Dioxinbelastung. Heike Wegener von QS schränkt aber ein: «Jedes System hat seine Lücken.» Aber nicht jede Lieferung könne kontrolliert werden.» So plädiert auch QS dafür, Betriebe, die Bestandteile für Futtermittel liefern, von denen zu trennen, die gleichzeitig technische Produkte vertreiben, die unter keinen Umständen in Lebensmittel oder Futtermittel gelangen dürfen.

Eigentlich müssten dioxinbelastete Chargen teurer als Sondermüll entsorgt werden. «Immer, wenn es gelingt, toxische Stoffe als genießbar zu verkaufen, wird richtig Geld gemacht», sagt zu Baringdorf. Foodwatch-Sprecherin Christiane Groß ergänzt: «Es wäre eine ganz simple Regelung, wenn man sagen würde: Jeder, der ein Futtermittel zusammenmischt, muss sicherstellen, dass alle Zutaten auf Dioxin getestet sind, bevor diese weiterverarbeitet werden.»

Futter ist der entscheidende Kostenfaktor für Erzeuger: In der Geflügelmast verursachen Futtermittel etwa die Hälfte, in der Schweinemast sogar bis zu zwei Drittel der Produktionskosten, betont Foodwatch. Wollten Landwirte ihre Kosten niedrig halten, müssten sie also am Futter sparen.

In der agrarindustriellen Landwirtschaft sind Bauern meist fest an einen Lieferanten gebunden, haben also selbst keinen Einfluss mehr darauf, was ihre Tiere fressen. «Damit geben sie ihre Verantwortung am Hoftor ab», klagt Bio-Landwirt zu Baringdorf. (dpa)
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