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06.08.2023 | 11:40 | Jagdrecht 

Jagdgesetz-Novelle in Rheinland-Pfalz erhitzt Gemüter

Gensingen / Mainz - Von harscher Kritik bis zu großem Lob: Die Spannbreite der Reaktionen auf die geplante Novelle des Landesjagdgesetzes in Rheinland-Pfalz ist groß.

Jagdgesetz
Die Jägerschaft in Rheinland-Pfalz ist erbost über das geplante neue Jagdgesetz. Auf einen ersten Protest folgt Mitte August eine Sonderdelegiertentagung. Doch es gibt auch positive Reaktionen. (c) proplanta
Und dafür, dass die vom Kabinett gebilligte Novelle aller Voraussicht nach frühestens 2025 in Kraft treten dürfte, sind teilweise schon mächtig Emotionen mit dabei.

Umweltschützer im Land sehen klare Verbesserungen gegenüber dem derzeit geltenden Landesjagdgesetz von 2010. Der Landesjagdverband (LJV) ist auf der Palme und trifft sich Mitte August in Neuwied, um das weitere Vorgehen zu beratschlagen.

«Wegweisende Entscheidungen» kündigt der LJV für das Treffen in Neuwied an, wie Präsidiumsmitglied Tobias Hahn sagt. Auch Jägerinnen und Jäger aus anderen Bundesländern nähmen mehr und mehr die Tragweite des Gesetzentwurfs wahr. Entsprechend würden auch Präsidenten von Jagdverbänden aus anderen Bundesländern erwartet und der Präsident des Deutschen Jagdverbandes, Helmut Dammann-Tamke.

Bereits vor einigen Wochen hatte der LJV, der nach eigenen Angaben fast 20.000 Jägerinnen und Jäger vertritt, seine Mitglieder aufgerufen, im Rahmen einer Protestaktion bei Unfällen verendete Wildtiere nicht mehr mitzunehmen. Dem folgten die Mitglieder mit breiter Mehrheit, heißt es nun.

Das Umweltministerium in Mainz hatte den Entwurf für die Novelle, der sich im weiteren Prozess an einigen Stellen noch ändern dürfte, Anfang Juli vorgestellt. Dieser habe eine stärkere Ausrichtung der Jagd auf die in Folge des Klimawandels nötige Walderneuerung, sagte Umweltstaatssekretär Erwin Manz (Grüne) seinerzeit. Grob gesagt soll das Jagdmanagement mehr auf die Walderneuerung ausgerichtet werden.

Außerdem sollen einige Jagdpraktiken aus Tierschutzgründen künftig verboten sein. Nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren soll ein Verbot von bleihaltiger Munition gelten. Eine sogenannte Hegeverpflichtung soll künftig Inhabern von Jagdrevieren auferlegen, die Rettung von Jungwild, etwa Rehkitzen vor der Wiesenmahd, zu unterstützen. Invasive, also eingewanderte Tierarten sollen in eine separate «Liste der ökosystemfremden Arten» kommen. Letztere können laut Ministerium dann unbürokratischer bejagt werden.

Vorgesehen ist in dem Entwurf auch, dass das bislang nur in bestimmten Gebieten geduldete heimische Rotwild fast im ganzen Land leben kann. Durch die bisherige «Verinselung» sei es zu einer genetischen Verarmung gekommen, argumentiert das Ministerium. Beim nicht heimischen Dam- und Muffelwild soll es auch in Zukunft begrenzte Duldungsgebiete geben. Ihrer weiteren Ausbreitung solle entgegengewirkt werden - wegen des «hohen Wildschadenspotenzials».

In die Pflicht nehmen soll die Novelle die Verantwortlichen eines Jagdbezirks beim Wildmonitoring. Sie sollen demnach die Entwicklung der Wildarten der jeweils zuständigen Behörde melden - und zwar bei landesweiten, turnusmäßigen Abfragen in einem Portal.

«Besonders enttäuscht sind wir von der Vorgehensweise des Ministeriums», sagt LJV-Vertreter Hahn. «Die zu Unmut führenden Aspekte des Entwurfs sind mit uns nie erörtert oder diskutiert worden, obwohl das Ministerium einen langen Evaluierungsprozess mit vorgeblicher Transparenz durchgeführt hat.» Laut Ministerium wurde der LJV einbezogen.

Vor Fertigstellung des Entwurfes sei allen betroffenen Verbänden und Behörden die Möglichkeit gegeben worden, Vorstellungen einzubringen. Anregungen des LJV seien übernommen worden, etwa zur Digitalisierung der Jagdverwaltung und zur Auflösung der Rotwild-Bezirke.

Der Verband stört sich nach früheren Angaben von Präsident Dieter Mahr vor allem an nach Auffassung des LJV deutlichen Einschränkungen des bewährten Reviersystems. So dürften künftig Grundstückseigentümer neben dem Jagdpächter jagen. Dieser und andere Vorschläge würden dazu führen, dass Jagdreviere unverpachtbar würden.

Kritisiert wird auch, dass bisher freiwillige Leistungen wie die Rettung von Jungwild oder das Wildmonitoring zur Pflicht würden. Die Rettung von Jungwild als Teil der sogenannten Hegeverpflichtung trifft laut Ministerium die Jäger aber nur dann, wenn sie diese etwa als Jagdpächter oder als beauftragter Jäger übernähmen und damit in einem Jagdbezirk als sogenannte jagdbezirksverantwortliche Person tätig seien.

Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) sieht keine Einschränkungen des Reviersystems, wie sie jüngst sagte. Derzeit habe der Verpächter eines Bezirks die Möglichkeit, einzelne Wildarten selbst zu jagen.

Diese Möglichkeit sei künftig nicht mehr vorgesehen, stattdessen könnten Verpächter auf bestimmten Flächen und nicht mehr nur bestimmte Tierarten jagen. So könne nachwachsender Wald oder reifendes Getreide vor Wildeinflüssen geschützt werden. Das Recht zum Mitjagen sei anders als bisher genau geregelt. Eder hatte dem Verband Anfang Juli einen Dialog angeboten. Mittlerweile habe es einen Austausch gegeben, darüber sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte ein Ministeriumssprecher. 

Ganz anderes bewertet der Naturschutzbund Nabu den Entwurf. Er spricht von längst überfälligen Neuerungen. Teils stark vergrößerte Bestände an Reh- und Rotwild führten zu einem starken Verbiss an Keimlingen und jungen Bäumen. «Ein richtiges Wildmanagement ist daher essenziell für die natürliche Waldverjüngung und -entwicklung.»

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Rheinland-Pfalz befindet: «Es mag an der ein oder anderen Stelle noch Anpassungsbedarf geben, die für die Waldentwicklung richtungsweisenden Regelungen dürften aber nicht verwässert werden.» Richtungsweisend sei etwa die vorgesehene Stärkung der Rechte der Grundbesitzenden und der Jagdrechtsinhaber, explizit nennt der BUND etwa ein Sonderkündigungsrecht für den Jagdpachtvertrag.

Die BUND-Landesvorsitzende Sabine Yacoub sagte kürzlich, sie könne nachvollziehen, dass Jägerinnen und Jäger sich mit einigen vorgesehenen Neuerungen schwertun. Es sei aber zu bedenken, dass die Wildtier-Regulierung bisher nicht funktioniert habe. Hahn aus dem LJV-Präsidium sagt, es solle keine Fundamentalopposition betrieben werden.

Auch der Verband sehe die Notwendigkeit zum Waldumbau. Dazu leiste die Jägerschaft gerne einen Beitrag. Dieser erfolge aber auf privater Basis - «und niemand kann in der breiten Fläche die Leistungen der privaten Jägerschaft ersetzen».
dpa/lrs
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