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04.08.2023 | 09:02 | Aufforstung 
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Waldumbau und Klimawandel: Kiefer und Fichte nicht verteufeln

Annaburg - Die Grundlage für ein neues Stück Wald liegt auf einem mehr als 120 Jahre alten Holzboden am Ortsrand von Annaburg. In kleineren Haufen stapeln sich die Kiefernzapfen.

Aufforstung
Jedes Jahr müssen in Sachsen-Anhalt Tausende Hektar Wald aufgeforstet werden. Die notwendigen Samen dafür kommen unter anderem aus der Landesdarre. Dort setzt man auch auf Bäume, die nicht überall gerngesehen sind. (c) proplanta
Die Balken des riesigen Holzschuppens sind luftig gebaut, der Wind zieht durch und treibt die Feuchtigkeit aus den Zapfen. «Das ist hier ein ganz sanftes Trocknen: Holz auf Holz», sagt Heike Borchardt, während ein Mitarbeiter mit der Schaufel die Zapfen wendet.

Die 61 Jahre alte Forstwirtin leitet die Landesdarre, die für Baumschulen und Waldbesitzer Samen aus den Zapfen gewinnt. 70 Tonnen Zapfen seien es im vergangenen Jahr gewesen - trotz Hitze und Trockenheit in den Wäldern. Ein gutes Jahr, wie Borchardt sagt. Normalerweise würden zwischen 30 und 40 Tonnen Zapfen in der Darre verarbeitet, in schlechten Jahren seien es auch mal nur zehn Tonnen. «Kein Jahr ist wie das andere, das ist Natur», sagt Borchardt.

Trotzdem reicht das Saatgut nicht aus, um all die Kahlflächen allein in Sachsen-Anhalt schnell aufzuforsten. Nach Schätzungen von Waldbesitzern und Landesregierung sind es rund 50.000 Hektar Kahlfläche. Das entspricht in etwa der Fläche der Städte Magdeburg, Halle und Dessau zusammen.

Vom großen Holzschuppen führt Borchardt hinüber in das alte Backsteingebäude, das 1903 seinen Dienst aufgenommen hat. Ein technisches Denkmal, das mehr wie ein Museum aussieht als ein produzierender Betrieb. Neun dieser sogenannten Darren gibt es in Deutschland, unter anderem in Sachsen, Thüringen und Bayern. Jede mit einer speziellen Ausrichtung auf typische Bäume der Region. In Sachsen-Anhalt ist es vor allem die Kiefer.

«Bei allen Gedanken um den Waldumbau dürfen wir Fichte und Kiefer nicht verteufeln», sagt Heike Borchardt. Manche Waldbesitzer würden auch aus Kostengründen weiter auf die beiden Nadelhölzer setzen, außerdem hätten auch sie ihre Vorteile. «Wir brauchen auch immer noch Holz und da setzt auch die Industrie oft weiter aufs Nadelholz.»

Aber gerade Kiefer und Fichte wurden von Klimawandel und Schädlingen in den vergangenen Jahren getroffen. Im vergangenen Waldzustandsbericht des Thünen-Instituts kommen die Forscher zu dem Fazit: «Die Fichte stirbt in tieferen Lagen von 700 m großflächig ab.» Aber auch die als trockenheitsangepasst geltende Kiefer weist in den vergangenen Jahren einen zunehmend höheren Anteil an Schäden auf. Beide Baumarten machen zusammen rund die Hälfte des Waldbestandes in Deutschland aus.

Die Gewinnung der Samen ist aufwendig. «Wir ahmen hier die Prozesse in der Natur nach», sagt Heike Borchardt. Mehrere Tage dauert die Reise durch den Backsteinbau, die die vorgetrockneten Zapfen ganz oben im Turm der Darre beginnen und über Laufbänder und Fallroste fortsetzen. Bei 40 bis 60 Grad Celsius öffnen sich die Zapfen. Es knackt und knistert in dem kleinen Raum, dann fallen die Zapfen in eine große Trommel und geben die Samen frei, die in kleinen Säcken aufgefangen werden.

Boden und Wände sind staubig, wie mit holzigem Mehl überzogen. Das Saatgut läuft über kleine Förderbänder weiter, wird gereinigt. Ein Job, den man nicht aus Büchern lerne, sagt Borchardt und freut sich, dass drei junge Männer aus dem Forstamt sie bei der Arbeit unterstützen. Früher hätten vor allem Frauen in der Darre gearbeitet.

Es sei viel Fingerspitzengefühl dabei. «Kiefer ist nicht gleich Kiefer», sagt sie. Werde es zu heiß oder zu kalt, seien die Samen verloren. Vor Jahren wurden sie in der Landesdarre bei einem Besuch einer Umweltministerin mal als «Hebammen des Waldes» bezeichnet - als Geburtshelfer für neuen Wald.
dpa/sa
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Kommentare 
scherlock schrieb am 05.08.2023 10:27 Uhrzustimmen(11) widersprechen(3)
Das Foto passt aber nicht zum Artikel.
Darauf ist keine Fichte und schon gar nicht eine Kiefer zu sehen, sondern eine Weisstanne. Es kommt immer öfter vor, dass die verwendeten Fotos nicht zum betzreffenden Artikel passen.
Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken.
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