Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
05.02.2011 | 11:38
 1

Daniel Barben: Die möglichen Folgen und Implikationen neuer Technologien sollten interdisziplinär bearbeitet werden

Prof. Dr. Daniel Barben
Prof. Dr. Daniel Barben (c) bioSicherheit.de
bioSicherheit: Welche Rolle sollen und können wissenschaftliche Ergebnisse in der gesellschaftlichen Diskussion um Nutzen und Risiken spielen? In der Debatte um die Grüne Gentechnik beispielsweise berufen sich sowohl Befürworter als auch Gegner auf die Wissenschaft. In den letzten Jahren hat es immer wieder Studien gegeben, die über negative Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen berichteten. Diese Studien wurden aber häufig von anderen Wissenschaftlern massiv kritisiert wegen methodischer Unzulänglichkeiten. Gentechnikkritiker erheben daraufhin regelmäßig den Vorwurf, dass die mit diesem Thema befassten Wissenschaftler mehrheitlich voreingenommen sind, weil sie ein technologiezentriertes Weltbild oder eigene wirtschaftliche Interessen haben. Gibt es überhaupt eine objektive, unbeeinflusste Wissenschaft? Oder ist Wissenschaft immer auch von Interessen und Werten beeinflusst und wenn ja, wie geht man damit in der Debatte um Nutzen und Risiken um?

Daniel Barben: Das sind, glaube ich, zwei große Fragen, die Sie stellen, die man auseinanderhalten müsste. Das eine ist die Frage nach dem Stellenwert naturwissenschaftlich begründeter Argumente in Risikokontroversen und das andere die Frage nach der Objektivität von Wissenschaft angesichts von Kommerzialisierung und unternehmerischen Engagements von Wissenschaftlern. Und ich denke, die beiden Fragen muss man klar trennen.

Zur Frage der Objektivität und Voreingenommenheit: Die Naturwissenschaften sind heute keine reinen Beobachtungswissenschaften mehr, sondern sie sind stark eingebunden in Prozesse der Technologieentwicklung und auch der industriellen Produktentwicklung. Aber allein aus dem Sachverhalt, dass die Wissenschaft in Prozesse der Technologieentwicklung oder der wirtschaftlichen Verwertung eingebunden ist, abzuleiten, dass sie korrumpiert ist, das ist einfach eine Unterstellung, die belegt werden müsste, wenn man sie ernst nehmen soll. Natürlich kann es Interessenkonflikte geben, und damit muss man transparent umgehen, indem man zum Beispiel offenlegt, wer eine Studie finanziert hat. Aber die reine, unbefleckte Wissenschaft vergangener Jahrhunderte anzumahnen, das ist einfach nicht zeitgemäß.

Zum Stellenwert naturwissenschaftlicher Argumente in Risikokontroversen: Diese Kontroversen finden ja nicht im luftleeren Raum statt, sondern es gibt Institutionen, die damit befasst sind. In liberalen Rechtsstaaten wie der Bundesrepublik sind bestimmte Freiheiten verfassungsmäßig garantiert, zum Beispiel die Forschungsfreiheit und die Investitionsfreiheit. Um diese Freiheiten einzuschränken, bedarf es besonderer Begründungen, und seit langem anerkannt sind Gefährdungen von Gesundheit oder Umwelt. Und da gibt es im Recht die interessante Formulierung, dass es auf den „herrschenden Stand von Wissenschaft und Technik“ ankommt. Das heißt, man orientiert sich an der Mehrheitsmeinung der wissenschaftlichen Gemeinschaft, auch wenn es abweichende Meinungen gibt. In den Feldern von Wissenschaft und Technik, die sich noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden, ist es unter Umständen schwierig festzustellen, was der herrschende Stand ist. Aber ich würde sagen, im Falle der Gentechnik verhält es sich nicht mehr so, da gibt es mittlerweile einen ausgearbeiteten Sachstand.

Gleichwohl sind Sicherheitsrisiken ein Feld, das nach wie vor von Kontroversen besetzt ist, und an dieser Stelle kommt die Politik hinein. Es gibt politische Spielräume, in welcher Weise man regulatorisch tätig wird. Man kann verlangen, dass Risiken zweifelsfrei wissenschaftlich nachgewiesen sein müssen, und im internationalen Kontext ist das üblicherweise die von den USA vertretene Position. Dagegen kann man aber auch ein Stück weit offener sein und für eine gewisse Zeit hypothetisch denkbare Risiken anerkennen, die noch nicht eindeutig nachgewiesen sind, wie es beim precautionary principle insbesondere in der Europäischen Union der Fall ist.
zurück
Seite:1234
weiter
Kommentieren Kommentare lesen ( 1 )

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
Alfred schrieb am 05.02.2011 14:53 Uhrzustimmen(83) widersprechen(87)
Die Skepsis breiter Bevölkerungsschichten gegenüber neuen Technologien hat auch etwas mit der Freistellung von Haftungsansprüchen zu tun, die man sich rechtzeitig vom Gesetzgeber holt. Da helfen seitenlange Interviews, die ohnehin kaum jemand liest und auch akademische Weihen nichts. Man sollte dem Souverän (Bürger) diese seine Eigenschaft nicht nur zu Wahlen zugestehen...
  Weitere Artikel zum Thema

 EU-Saatgutverordnung: Pflanzenzuchtverband kritisiert Ausschuss-Vorschläge

 „Ohne GenTechnik“-Siegel - Rekordumsatz zum Jubiläum

 Heimische Ernte GVO-frei

 Europäisches Parlament für weniger strenge Gentechnikregeln in der EU

 Stark-Watzinger befürwortet Deregulierung bei Genpflanzen

  Kommentierte Artikel

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte