bioSicherheit: Wie kann man zu einer rationalen und möglichst konstruktiven Diskussion über die neuen Entwicklungen und Anwendungsfelder in der Pflanzenbiotechnologie kommen?
Daniel Barben: Eine vielfach erprobte Instanz sind in Deutschland ja die Enquete-Kommissionen, womit ich jetzt aber nicht sagen will, dass eine solche angesichts neuer Entwicklungen in der Pflanzenbiotechnologie eingerichtet werden sollte. Die Enquete-Kommission zu den Chancen und Risiken der Gentechnologie Ende der achtziger Jahre beeinflusste jedenfalls die Debatte sehr und hatte auch einen großen Einfluss auf die Einrichtung und Ausgestaltung des Gentechnikgesetzes. Eigentlich ist es auch die Aufgabe des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag, solche Expertisen zu erstellen. Es ist natürlich die Frage, inwieweit diese Studien auch in Kreisen von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft zur Kenntnis genommen und in den öffentlichen Diskurs eingespeist werden.
Verfahren wie Bürgerdialoge können auch durchaus fruchtbar sein, sie stehen aber immer unter dem Verdacht, dass es reine Maßnahmen sind, um Akzeptanz zu steigern und dass die Fragen, die als die eigentlich relevanten wahrgenommen werden, gar nicht zur Disposition stehen. Und wenn das der Fall ist, dann kann man eigentlich schon einpacken, denn dann ist es eine Wiederholung von Veranstaltungen, wie sie schon sehr zahlreich stattgefunden haben, wo konträre Positionen ausgetauscht werden, wo mit Unterstellungen gearbeitet wird und wo relativ wenig Lernen stattfindet auf allen Seiten.
Ein grundlegendes Problem der Technikfolgenabschätzung ist es immer gewesen, dass sie von der eigentlichen Wissenschafts- und Technikentwicklung relativ weit entfernt war. Beim Humangenomprojekt wurde dann Begleitforschung parallel zur Technikentwicklung institutionalisiert, die so genannte ELSI- oder ELSA-Forschung, aber auch diese Forschung war nie wirklich verzahnt mit der naturwissenschaftlich-technischen Forschung und Produktentwicklung. In den USA habe ich in den letzten Jahren eine stärker integrierte Forschung kennengelernt, und zwar am Center for Nanotechnology in Society an der Arizona State University. Das ist eines der Forschungszentren, die von der National Science Foundation damit beauftragt wurden, mögliche Implikationen und Folgen der Nanotechnologie schon früh zu erforschen, wozu es übrigens ein politisches Mandat durch den 21st Century Nanotechnology Research and Development Act von 2003 gibt.
Eine Grundidee dieses Zentrums ist es, nicht Begleitforschung als Spezialgeschäft von Geistes- und Sozialwissenschaftlern zu machen und anschließend die gewonnenen Einsichten den Naturwissenschaftlern mitzuteilen, sondern die Fragen nach zukünftigen Folgen und Implikationen der Nanotechnologie interdisziplinär zu bearbeiten, gemeinsam mit den Naturwissenschaftlern und Ingenieuren, die diese neue Technologie entwickeln. Da gibt es dann zum Beispiel gemeinsame Lehrveranstaltungen mit Vertretern verschiedener Fächer oder Workshops, in denen Naturwissenschaftler ihre laufenden oder geplanten Forschungsprojekte vorstellen und mit Geistes- und Sozialwissenschaftlern diskutieren.
Es gibt auch Laborstudien, das heißt, Doktoranden aus den Sozialwissenschaften sind für eine gewisse Zeit in den Laboren zu Gast und untersuchen, nach welchen Mustern die Forschung abläuft, wie Entscheidungen getroffen werden und so weiter. Zu dem Forschungsprogramm gehören auch Elemente von Öffentlichkeitsbeteiligung. So gab es eine National Technology Citizen Conference, die an sechs Orten quer über die USA verteilt von lokalen Kooperationspartnern des Zentrums durchgeführt wurde, und es gab über Wochen moderierte Diskussionen im Internet. Das Bündel von Aktivitäten haben wir zusammengefasst als Ansatz der anticipatory governance, d.h. als Versuch einer vorausschauenden Gestaltung von Wissenschaft und Technik in der Gesellschaft. Und ich denke, das ließe sich auch auf andere Felder übertragen.
bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.
Quelle:
www.BioSicherheit.de