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11.01.2011 | 07:40 | Dioxin-Skandal 

Aigner will härtere Regeln für Futtermittelindustrie

Berlin - Bundesagrarministerin Ilse Aigner will schärfere Regeln für die Futtermittelbranche, um weitere Dioxin-Fälle zu verhindern. Die CSU-Politikerin forderte «konkrete Vorschläge».

Ilse Aigner

«Dieser Fall muss und er wird Konsequenzen haben», sagte Aigner am Montag nach einem Krisentreffen mit Spitzenvertretern der Branche in Berlin. Die Organisation Foodwatch hatte zuvor erklärt, Rückstände aus Pflanzenschutzmitteln könnten für die hohe Dioxinbelastung von Futtermitteln verantwortlich sein. Aigner sagte dazu: «Ich will mich nicht an Spekulationen von selbst ernannten Experten beteiligen.» 

Im Skandal um Dioxin im Tierfutter wurden bisher in 19 Lebensmittel-Proben überhöhte Gift-Wert ermittelt. Es handelte sich um 18 Proben von Eiern und eine Probe von Legehennenfleisch, wie aus einer Aufstellung des Verbraucherschutzministeriums in Berlin hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend vorlag. Insgesamt wurden demnach 87 Proben ausgewertet. Proben bei Hähnchen, Puten- und Schweinefleisch sowie bei Kuhmilch wiesen bisher keine Überschreitung von Grenzwerten auf.

Die EU-Kommission hält Importverbote anderer Staaten für Eier oder Fleisch aus Deutschland für überzogen. Auf Basis der nun zu erarbeitenden Vorschläge aus der Branche werde sie über Veränderungen entscheiden, sagte Aigner weiter. Ein Punkt werde auch die Frage der Zulassung von Betrieben sein. Das Dioxin soll in einer Firma im niedersächsischen Bösel in das Futterfett gelangt sein. Das Unternehmen arbeitet als Spedition für Fette. Die Futterfettproduktion wurde dort wohl illegal betrieben. Die Firma ist ein Partnerunternehmen von Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein, das die Dioxin-belasteten Futterfette vertrieben hatte und nun im Fokus der Ermittlungen steht.

«Der entstandene Schaden ist immens», sagte Aigner. Nicht nur finanziell, sondern vor allem sei auch das Vertrauen der Verbraucher erschüttert. «Es gibt keinen Grund zur Panik, aber auch nicht zur Verharmlosung», betonte die CSU-Politikerin. 1.635 Betriebe sind nach Ministeriumsangaben noch gesperrt, zeitweise waren es rund 5.000 Höfe.

Für eine generelle Entwarnung sei es aber noch zu früh, teilte das Ministerium mit. Der vom Bauernverband geforderte Millionen-Hilfsfonds für betroffene Landwirte spielte dem Vernehmen nach in den Gesprächen zwischen Aigner und der Branche keine Rolle.

Hinsichtlich von Importstopps für deutsches Fleisch sagte Aigner, es gehe keine Gefahr von deutschen Agrarprodukten aus. Die EU-Kommission hält Importverbote anderer Staaten von Eiern oder Fleisch aus Deutschland für überzogen. «Das sind übertriebene Reaktionen angesichts der aktuellen Lage in Deutschland», sagte der Sprecher von EU-Verbraucherkommissar John Dalli in Brüssel. Die Dioxinbelastung der Produkte bedeute «keine unmittelbare Gefahr» für Verbraucher.

Südkorea blockiert seit Mitte vergangener Woche Schweinefleisch aus Deutschland. Nach Angaben der EU-Kommission sprach das EU- Mitglied Slowakei dagegen kein vergleichbares Verbot aus. Russland habe die Kontrollen für deutsche Produkte verschärft. Europäische Futterfett-Hersteller wollten am Montag in Brüssel mit der EU-Kommission tagen, um über die Trennung von Industrie- und Futterfetten in Produktion und beim Transport zu beraten. Auch Aigner will eine solche Trennung in Deutschland durchsetzen.

Foodwatch hatte erklärt, die hohe Dioxinbelastung ergebe sich «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» aus dem Muster einer Futterfett-Probe, die von dem in Bösel sitzenden Partnerunternehmen von Harles und Jentzsch stammt. Die Organisation gab an, die Analyse der Dioxin- und Furanverbindungen in der Probe weise auf Rückstände einer Pentachlorphenol-Verbindung hin, wie sie als Pilzgift eingesetzt werde. In Deutschland darf Pentachlorphenol seit 1986 nicht mehr produziert und seit 1989 nicht angewendet werden.

Die Informationen von Foodwatch decken sich nicht mit den Analysen staatlicher Lebensmittelchemiker. Für Pentachlorphenol seien hohe Gehalte zweier charakteristischer Dioxinverbindungen typisch, sagte Peter Fürst vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Münster der Nachrichtenagentur dpa. «Sie ragen aber bei unseren Proben nicht heraus.» Bisher seien alle Erklärungsversuche für die Dioxinbelastung «reine Spekulation».

Bärbel Höhn, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, kritisierte Aigners Vorschläge nach dem Treffen in Berlin. «Ministerin Aigner hat keine konkrete Maßnahme genannt, wie man in Zukunft solche Skandale verhindern will», sagte Höhn. «Nur wage Absichtserklärungen, Prüfaufträge und der Verweis auf Vorschläge seitens der Futtermittelindustrie.» Das reiche nicht. Aigner wolle das Thema offenbar aussitzen. Am Dienstag will sich Aigner in einer Sondersitzung des Verbraucherausschusses des Bundestags den Fragen der Abgeordneten stellen. Die SPD forderte die Einführung einer zentralen Warnplattform für gefährdete Lebensmittel.

Nach dem Auftauchen einer neuen Lieferliste aus Niedersachsen wurden in Nordrhein-Westfalen am Montag weitere 113 Agrarbetriebe wegen Dioxin-Verdachts gesperrt. Das sagte ein Sprecher des NRW- Verbraucherschutzministeriums. Damit sind nun wieder 160 Betriebe in NRW gesperrt - ihre Produkte dürfen nicht in den Handel gebracht werden. In Schleswig-Holstein waren noch 61 Betriebe gesperrt.

In Niedersachsen sind nach der vorsorglichen Sperrung tausender Höfe bisher nur in weniger als zehn Betrieben tatsächlich belastete Erzeugnisse gefunden worden. Dabei habe es sich um Eier gehandelt, die alle vernichtet würden, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover, Gert Hahne. In 1.470 Betrieben laufen landesweit weiter Überprüfungen, rund 3.000 gesperrte Höfe wurden am Wochenende wieder freigegeben.

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