Dazu hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Mittwoch (25.8.) die „Ackerbaustrategie 2035“ vorgestellt. Wie die Ressortchefin mit Verweis auf die nach erster amtlicher Schätzung unterdurchschnittliche
Getreideernte 2021 erklärte, soll die Strategie auch ein weiterer wichtiger Baustein bei der notwendigen Klimaanpassung der Landwirtschaft sein.
„Wir bringen damit mehr
Klimaschutz in den Boden und auf die Felder. So machen wir die Landwirtschaft in Deutschland nachhaltiger und ressourcenschonender“, so die Ministerin. Gleichzeitig blieben Erträge und Einkommen der Landwirte stabil, so dass auch in Zukunft flächendeckend regionale
Lebensmittel angebaut werden könnten.
Klöckner zufolge hat ihr Haus gemeinsam mit der Wissenschaft zwölf Handlungsfelder identifiziert. Für jedes Handlungsfeld seien Maßnahmen zur Umsetzung beschrieben, die gemeinsam mit insgesamt rund 1.000 Landwirtinnen und Landwirten diskutiert worden seien. Laut Prof. Jörg Michael Greef, dem Leiter des Instituts für
Pflanzenbau und Bodenkunde vom
Julius Kühn-Institut (JKI), flossen insgesamt rund 4.000 Anmerkungen in die Strategie ein, die mehr als 60 Einzelmaßnahmen umfasst.
Pflanzenzucht und Digitalisierung
Als Handlungsfelder listet das Strategiepapier unter anderem die Stärkung des Bodenschutzes und der
Bodenfruchtbarkeit auf. Außerdem geht es um die Erhöhung der Kulturpflanzenvielfalt durch erweiterte Fruchtfolgen, die Verbesserung der Düngeeffizienz, die Intensivierung des integrierten Pflanzenschutzes und die Stärkung der
Züchtung von klimaangepassten und widerstandsfähigen Pflanzen. Hier sprach sich die Ministerin auch für die Nutzung von gentechnischen Verfahren wie Crispr/CAS aus. Darüber hinaus sieht das Papier vor, die Digitalisierung in der Landwirtschaft voranzutreiben.
Klöckner betonte in dem Zusammenhang die Bedeutung des Precision Farming. Zudem sollten die
Biodiversität gestärkt und klimaangepasste Anbaukonzepte entwickelt werden. Die Landwirtschaft müsse sich an den
Klimawandel anpassen, unter anderem durch eine entsprechende Arten- und Sortenwahl und veränderte Anbausysteme. Ferner gehe es darum, die Bildung und Beratung der Landwirte zu stärken und die Wertschätzung der Gesellschaft für Landwirtinnen und Landwirte zu erhöhen, sagte die Ministerin.
Sechs Leitlinien
Im Überblick zur Ackerbaustrategie benennt das
Bundeslandwirtschaftsministerium neben den zwölf Handlungsfeldern auch sechs Leitlinien. Diese sind die Sicherstellung der
Versorgung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln, Futtermitteln und biogenen Rohstoffen, die Sicherung der Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte, die Stärkung des Umwelt- und Ressourcenschutzes, die Bewahrung der Biodiversität in der Agrarlandschaft, der
Ausbau des Beitrages zum Klimaschutz und die Anpassung des Ackerbaus an den Klimawandel sowie die Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz des Ackerbaus.
Zu den Maßnahmen heißt es , dass sich viele direkt an die Landwirtinnen und Landwirte richteten und die Weiterentwicklung des Ackerbaus unterstützen sollten, beispielsweise durch die Erarbeitungen von Handlungsempfehlungen zum Humusaufbau und die Förderung von Absatzmärkten für neue und wenig genutzte Arten und Sorten zur Erweiterung des Kulturpflanzenspektrums.
Nährstoffüberschüsse aus der landwirtschaftlichen Düngung sollen laut Ministerium durch das Bundesprogramm Nährstoffmanagement reduziert werden und die verstärkte Entwicklung von biologischen und anderen nichtchemischen Verfahren im Pflanzenschutz den nachhaltigen Pflanzenbau stärken.
Regionalspezifische Empfehlungen
Im Hinblick auf die Anpassung des Ackerbaus an den Klimawandel sollen dem Ministerium zufolge regionalspezifische Empfehlungen erarbeitet sowie die Möglichkeiten des Aus und Aufbaus von Bewässerungskapazitäten geprüft werden. Für den Einsatz der Digitalisierung in der Landwirtschaft will das Agrarressort die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen forcieren und die Entwicklung innovativer und digitaler Technologien fördern. Für die Beschleunigung des Züchtungsfortschrittes setzt es sich nach eigenen Angaben für die Anpassung der europäischen Vorschriften zu „Neuen molekularbiologischen Techniken“ ein.
Die Belange des Ökolandbaus würden hierbei berücksichtigt. In Bezug auf die Biodiversität in der Agrarlandschaft werde erstmals ein bundesweites Monitoring der Biodiversität in der Agrarlandschaft gefördert, um eine repräsentative Datenlage zu erhalten, heißt es weiter. Zudem sei vorgesehen, den Aufbau regionaler Stakeholderverbünde aus der Landwirtschaft, Umwelt und Verwaltung zur Planung und Umsetzung von regional abgestimmten biodiversitätsfördernden Maßnahmen zu unterstützen.
Durch die Etablierung von Leitbetrieben Pflanzenbau, eines bundesweiten Netzwerkes landwirtschaftlicher
Betriebe, solle die Wertschätzung für die Landwirtinnen und Landwirte verbessert werden. Diese Leitbetriebe sollen laut Ministerium Anlaufstelle für die interessierte Öffentlichkeit und die Fachkolleginnen und kollegen sein, um den aktuellen Status quo des innovativen Ackerbaus zu demonstrieren. Die Ackerbaustrategie solle im fünfjährigen Turnus evaluiert und bei Bedarf angepasst werden.
Tackmann vermisst Zeitplan
Bei den verschiedenen Interessensgruppen rief die „Ackerbaustrategie 2035“ ein geteiltes Echo hervor. Der Deutsche
Raiffeisenverband (
DRV) in Berlin unterstützt „grundsätzlich“ die vom Agrarressort erwogenen Maßnahmen zur Anpassung des Ackerbaus an den Klimawandel. Allerdings dürften diese Ansätze nicht zu Lasten der
Wertschöpfung im ländlichen Raum gehen. DRV-Getreidemarktexperte Guido Seedler warnte, dass
Umweltschutz und leistungsfähiger
Getreideanbau nicht ausschließlich über das Ordnungsrecht in Einklang gebracht werden könnten.
Gerade die jüngsten Einschränkungen bei der Düngung hätten zu dem geringen Ergebnis beim Weizen beigetragen. Zukünftig müsse verstärkt auf Effizienzsteigerungen durch den Einsatz moderner
Pflanzenzüchtung und Technik gesetzt werden. „Gerade in Technik ist schon viel investiert worden, aber es besteht noch
Luft nach oben“, so Seedler.
„Ein Witz“
Derweil bezeichnete der Agrarsprecher der grünen Bundestagsfraktion,
Friedrich Ostendorff, die Strategie der Bundeslandwirtschaftsministerin als einen „Witz“. Das Papier sei völlig substanzlos und eine Ideensammlung ohne Verbindlichkeit und schnell wirksame Maßnahmen.
Ostendorff forderte mehr Agrarfördergelder für die Wiedervernässung von Mooren und den Erhalt von Grünland.
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im
Bundestag, Dr. Kirsten
Tackmann, bemängelte unter anderem, dass ein Zeit- und Fahrplan zur Implementierung fehle. Außerdem müsse es um Ursachenbeseitigung gehen und nicht nur um Symptomlinderung hier und da.
Dass diese Ackerbaustrategie zudem letztendlich im Alleingang des Landwirtschaftsministeriums ohne Einigung mit anderen Ministerien veröffentlicht worden sei, zeige die fehlende Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens, das doch eigentlich hohe Priorität verdient hätte, erklärte Tackmann. Ein „Abhaken zur Scheinverschönerung der politischen Bilanz“ am Ende einer Legislaturperiode helfe aber weder dem Boden, dem Klima noch der Landwirtschaft.
„Symbolpolitik“
Der Vorsitzende vom Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, kritisierte, dass in dem Strategiepapier konkrete Aussagen zur Finanzierung fehlten. Auch seien die in der Strategie favorisierten neuen Gentechnikverfahren eine industriefreundliche Scheinlösung.
Der Koordinator für Agrar- und Landnutzungspolitik bei der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (
WWF) Deutschland, Johann Rathke, erklärte, Klöckner gehe es mehr um “Symbolpolitik“, als ressortübergreifend eine einheitliche Strategie zu erarbeiten, wie es eigentlich im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei.
Der Bundesgeschäftsführer vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), Leif Miller, monierte unter anderem, dass es für die angestrebte Stärkung des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) und der Biodiversität keine quantitativen Zielvorgaben gebe.