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11.12.2022 | 14:07 | Präsident des DBV 

Rukwied fordert mehr Pragmatismus in der Agrarpolitik

Berlin - Luft nach oben bescheinigt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, der Bundesregierung in der Landwirtschaftspolitik.

Joachim Rukwied
DBV-Präsident mit gemischter Bilanz der Ampelkoalition - Kritik an der Pflanzenschutzpolitik - Verbesserung des Tierwohls und Ausbau der erneuerbaren Energien als Baustellen - AbL kritisiert Agrarpolitik des Bundes als „mutlos, zu wenig, zu langsam“ - Viele Ankündigungen und Anstöße. (c) proplanta
„Der Pragmatismus, den die Regierung in der Verteidigungs- und der Energiepolitik zeigt, ist in der Agrarpolitik nur teilweise angekommen“, sagte Rukwied bei der Vorstellung des DBV-Situationsberichts am Donnerstag (8.12.) in Berlin. Korrekturbedarf sieht der Bauernpräsident insbesondere im Hinblick auf den Pflanzenschutz.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir müsse dringend seine bisherige Position zu den Brüsseler Pflanzenschutzvorschlägen überdenken, mit der er auf europäischer Ebene isoliert sei. „Der EU-Vorschlag zur Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes über ein Verbot in ‚sensiblen Gebieten‘ ist der völlig falsche Weg, weil dieser drastische Einbußen der heimischen Produktion zu Gunsten einer wachsenden Importabhängigkeit zur Folge hätte“, warnte Rukwied.

Man erwarte in dieser Frage auch in der Bundesregierung Pragmatismus, nachdem sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bereits von den Plänen der EU-Kommission distanziert habe. Als wichtige Baustellen in der nationalen Agrarpolitik nannte Rukwied die Verbesserung des Tierwohls und den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Bei der Weiterentwicklung der Tierhaltung fehle es der Ampelkoalition am politischen Willen für eine hinreichende Finanzierung. Bei Erneuerbaren Energien richte die geplante Erlösabschöpfung großen Schaden an, indem investierende Landwirte und finanzierende Banken abgeschreckt würden.

Landwirte brauchen politischen Fahrplan



Ungeachtet der positiven Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft betonte die Union den politischen Handlungsbedarf in Deutschland und warf Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir Untätigkeit vor.

Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, warnte vor falschen Schlussfolgerungen aus dem DBV-Situationsbericht „Erfreulich“ nannte Stegemann die vom DBV vorgelegten Zahlen zu den Unternehmensergebnissen der Haupterwerbsbetriebe im Wirtschaftsjahr 2021/22.

Gleichzeitig verdeutliche der Situationsbericht aber auch „die besonderen Schwierigkeiten und Volatilitäten, mit denen Landwirte zu kämpfen haben.“ Nach Einschätzung von Stegemann werden die Marktverwerfungen und die hohen Kosten für Energie und Düngemittel die Preise für die Landwirtschaft und damit für Lebensmittel weiter ansteigen lassen. Vielen Bauern fehlten zudem Zuversicht, Planbarkeit und politische Verlässlichkeit in diesen schweren Zeiten.

Dem Bundeslandwirtschaftsminister hielt der CDU-Politiker erneut vor, zwar viel anzukündigen, aber bislang nichts davon umzusetzen: „Nach einem Jahr im Amt muss da mehr kommen, als am Rand zu stehen, zwischendurch ins Spielfeld zu rufen und zu betonen, er würde sich noch viele Meinungen anhören wollen.“ Landwirte könnten nicht kurzfristig reagieren, sondern brauchen endlich auch einen politischen Fahrplan.

AbL wirft Özdemir Versäumnisse vor



Ernüchternd fällt die Bilanz der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zum einjährigen Amtsjubiläum des Bundeslandwirtschaftsministers aus. Für AbL-Bundesgeschäftsführer Georg Janßen war die Agrarpolitik des Bundes unter der neuen Hausleitung „mutlos, zu wenig, zu langsam“ und von „zu vielen Zugeständnissen gegenüber der Agrarindustrie und der Bauernverbandsspitze“ gekennzeichnet.

Nach Auffassung der AbL-Bundesvorsitzenden Elisabeth Fresen hat es Özdemir verpasst, die Versäumnisse der Vorgängerregierung bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu korrigieren. Zudem habe er sich in der Auseinandersetzung um einen Anbau auf Stilllegungsflächen „wider besseren Wissens hinter eine Ausweitung der Produktion gestellt.“

Vorsitzendenkollege Martin Schulz warf Özdemir fehlende Ergebnisse beim Umbau der Tierhaltung vor. Anstatt die Vorschläge der Borchert-Kommission umzusetzen, habe sich die Leitung des Bundeslandwirtschaftsministeriums dafür entschieden, „Klientelpolitik für wenige“ zu machen, und zwar „ganz nach dem Vorbild der Vorgängerregierung, nur in Grün.“

Gleichzeitig nehme sie billigend in Kauf, dass eine nötige Reduktion von Tierzahlen durch die massenhafte Aufgabe bäuerlicher Betriebe vonstatten gehe. Profiteure seien agrarindustriell aufgestellte Tierhaltungsbetriebe im In- und Ausland.

Agrarpolitischer Aktionsplan



Die AbL fordert von Özdemir für sein zweites Amtsjahr einen agrarpolitischen Aktionsplan. Ein Kernpunkt ist laut AbL eine Weiterentwicklung des GAP-Strategieplans mit einer Staffelung der Fördermittel nach Betriebsgröße, einer Steigerung des Budgets zur Entlohnung von Umwelt-, Klima- und Tierwohlleistungen sowie einer Stärkung von Grünlandbetrieben. Angegangen werde müsse der Umbau der Tierhaltung auf der Grundlage eines langfristig vertraglich abgesicherten Finanzierungskonzepts.

Der Einstieg in die Wiedervernässung von Mooren müsse mit der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Perspektive für die betroffenen Betriebe sowie einer ausreichenden wirtschaftlichen Teilhabe am Ausbau der Erneuerbaren Energien für bäuerliche Betriebe einhergehen.

Weitere AbL-Forderungen für einen Aktionsplan betreffen eine verursachergerechte, einzelbetriebliche Umsetzung der Düngeverordnung auf Basis einer sachgerechten Novellierung der Stoffstrombilanzverordnung, der Erhalt einer gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft sowie die Sicherstellung von gerechten Erzeugerpreisen und Marktregeln in Krisenzeiten.

Hinzu kommen der Stopp von außerlandwirtschaftlichen Investoren auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt sowie die Erarbeitung einer flächendeckenden und langfristigen Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie, die nicht einseitig auf Verbote setzen, sondern die betroffenen Bäuerinnen und Bauern mitnehmen soll.

Eingewöhnungsjahr



Ein „Eingewöhnungsjahr mit den vielen Ankündigungen und Anstößen“ bescheinigte Bioland-Präsident Jan Plagge dem Bundeslandwirtschaftsminister. „Cem Özdemir war viel unterwegs, zeigte sich lernfähig im für ihn neuen Bereich und setzte wichtige Zeichen für den Ökolandbau“, erklärte Plagge zu den ersten zwölf Monaten im Ministeramt. Das kommende Jahr müsse nun „das Jahr der Umsetzungen“ werden. Der Bioland-Präsident nannte das Ampelziel 30 % Ökofläche bis 2030 „im besten Sinne ambitioniert“.

Signalwirkung besitze die Aussage Özdemirs, der Ökolandbau sei sein Leitbild für die Landwirtschaft. Vielversprechend sei der vorgesehene Umbau der Tierhaltung mit verpflichtender Kennzeichnung und separater Bio-Stufe. „Für 30 % Bio bis 2030 müssen aber noch deutlich mehr EU-Fördermittel in den Ökolandbau fließen“, sagt Bioland-Geschäftsleiter Agrarpolitik Gerald Wehde.

Für die Bio-Ziele müsse zudem der große Hebel von Bio im Außer-Haus-Markt genutzt werden, etwa durch eine Einführung fester Bio-Quoten in öffentlichen Mensen und Kantinen. Beim Umbau der Tierhaltung sei die Finanzierungsfrage noch immer nicht geklärt, so Wehde. 2023 werde es für den Agrarminister nicht nur ums Umsetzen, „sondern in einigen Fällen auch ums Durchsetzen gehen.“

Licht und Schatten



Licht und Schatten bescheinigt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) der Ampelkoalition in der Naturschutzpolitik. Verbandspräsident Jörg-Andreas Krüger lobte angesichts seiner Bilanz des ersten Koalitionsjahres das von der Bundesregierung vorgelegte Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz mit seinem 4 Mrd Euro-Budget für die Wiederherstellung von Mooren, Meeren und Wäldern.

Die Zustimmung des NABU-Präsidenten findet auch das Bemühen der Regierung, mit Artenhilfsprogrammen besondere Auswirkungen der Energiewende auf sensible Tierarten zu kompensieren. Demgegenüber bekräftigte Krüger seine Kritik an der beschlossenen Ausnahmeregelung, im Jahr 2023 auf obligatorischen Stilllegungsflächen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anbau einiger landwirtschaftlicher Kulturen zu ermöglichen.

Der NABU-Präsident warf der Bundesregierung vor, sie habe „unter Druck der Ernährungs- und Agrarindustrie die wenigen Fortschritte der jüngsten EU-Agrarreform in letzter Minute zurückgedreht“ und die Rückzugsflächen für Insekten und Vögel in der Agrarlandschaft beschnitten.
AgE
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