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06.04.2022 | 12:26 | Wohlstand in Gefahr 
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Zeitenwende: Ukraine-Krieg kostet Deutschlands Wohlstand

Frankfurt/Main - Der Ukraine-Krieg «wird uns Wohlstand kosten», sagt Bundeswirtschaftminister Robert Habeck. Und Finanzminister Christian Lindner mahnt, Deutschland müsse sich «neue Quellen des gesellschaftlichen Wohlstands erarbeiten».

Zeitenwende
Bezahlbares Öl und Gas halten die deutsche Wirtschaft am Laufen. Plötzlich muss Deutschland umsteuern. Müssen die Bürger verzichten lernen? (c) proplanta
Grüne und FDP in seltener Einmütigkeit. Dass Russland als verlässlicher Partner die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft mit bezahlbarem Öl und Gas versorgen wird, ist angesichts der Konfrontation mehr als fraglich.

Deutschlands Verbraucher bekommen die Folgen Tag für Tag vor Augen geführt: Die Benzinpreise sind kletterten auf Rekordniveau. Im Einzelhandel haben sich viele Waren verteuert. In manchem Supermarkt sind die Regale für Speiseöl leer. Die Corona-Krise ist noch nicht verdaut, da katapultiert der Krieg im Osten Europas die Wohlstandsgesellschaften im Westen in eine neue Zeit.

«Wir können auch einmal frieren für die Freiheit. Und wir können auch einmal ein paar Jahre ertragen, dass wir weniger an Lebensglück und Lebensfreude haben», sagte der frühere Bundespräsident Joachim Gauck Mitte März in der ARD-Talkshow «Maischberger». Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» hielt fest: «Wörter, die sehr lange keine Rolle mehr gespielt haben in der deutschen Wirklichkeit, kehren zurück: Verzicht, Entbehrung, Opferbereitschaft, Mangel.»

Umfragen zufolge schränken sich viele Menschen in Deutschland bereits ein. Etwa jeder siebte Erwachsene kann nach eigenen Angaben angesichts der gestiegenen Teuerung - 7,3 Prozent im März - kaum noch die Lebenshaltungskosten bestreiten, wie eine YouGov-Erhebung im Auftrag der Postbank ergab. Von den Befragten aus Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 2.500 Euro geben knapp 24 Prozent an, sie seien wegen gestiegener Preise kaum noch in der Lage, die regelmäßigen Ausgaben zu stemmen. Im Januar sagten dies noch 17 Prozent aus dieser Gruppe. Die Inflation zehrt an der Kaufkraft der Menschen.

Zwei milliardenschwere Pakete hat die Bundesregierung geschnürt, um die Menschen angesichts der Energie- und Spritpreise zu entlasten. Auf Dauer jedoch wird der Staat es allein mit Geld nicht richten können. «Der Ukraine-Krieg macht uns alle ärmer, zum Beispiel weil wir mehr für importierte Energie zahlen müssen», sagte FDP-Chef Lindner Anfang April der «Bild am Sonntag». «Diesen Wohlstandsverlust kann auch der Staat nicht auffangen.»

Sicheres Einkommen, sich materielle Wünsche erfüllen können - in dem seit 2012 quartalsweise erhobenen Wohlstandsbarometer des Marktforschungsinstituts Ipsos bekommen solche Faktoren hohe Zustimmungswerte, wenn Menschen nach ihrem Verständnis von Wohlstand gefragt werden.

Anders als in den Krisen der vergangenen Jahre erschüttert der Krieg in der Ukraine manche Selbstverständlichkeit auch in Deutschland. «Eine weitere Folge des Ukraine-Kriegs ist das Ende der Friedensdividende in Form fallender Rüstungsausgaben», analysierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Der Wehretat wird deutlich erhöht. «Das bedeutet Kürzungen öffentlicher Leistungen in anderen Bereichen und höhere Steuern, also letztlich weniger Wohlstand», sagt Fuest. Tempolimit, autofreie Sonntage, Heizung runterdrehen - die Liste der Vorschläge zum Sparen gegen die Energiekrise enthält wenig Neues.

Kurzfristiges Reagieren allein dürfte ohnehin nicht ausreichen. Unter der Überschrift «Eine Inventur des fossilen Zeitalters» kommt in einem Beitrag der Max-Planck-Gesellschaft bereits im März 2020 der Kulturtheoretiker Benjamin Steiniger zu Wort: «Wir leben in Städten, die nur motorisiert zu erreichen sind, tragen Goretex und Nylon, ernähren uns mithilfe von Kunstdünger, sind auf Medikamente angewiesen - alles Dinge, die auf Erdöl, Gas und Steinkohle basieren.

Konkret wie abstrakt ist unser Lebensstil auf eine Weise von fossilen Rohstoffen geprägt, die wir noch kaum durchdrungen haben.» Moralische Erwägungen - etwa bei der Beschaffung von Gas und Öl aus autokratischen Staaten - seien in den vergangenen Jahrzehnten dem Konsum untergeordnet worden, meint der Politologe Philipp Lepenies.

«Die neoliberale Markterzählung geht davon aus, dass der höchste Grad der Freiheit der der freien Konsumentscheidung ist», sagte der Leiter des Forschungszentrum für Nachhaltigkeit am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin im Sender SWR2. Auf einmal müssten sich Staat und Bürger «die Folgen des eigenen Konsums viel dramatischer klarmachen als je zuvor».

Die «Globalisierungseuphorie» der 90er Jahre, wie Lepenies es nennt, ebbt ab. Jahrzehntelang profitierte Deutschland vom freien Welthandel, der den Zugang zu billigen Produkten und Rohstoffen ermöglichte. Das hielt neben anderen Faktoren die Inflationsraten auf vergleichsweise niedrigem Niveau. «Die meisten Dinge, die wir kaufen, werden inzwischen im Ausland hergestellt - harmlos ausgedrückt - zu Billiglöhnen und - weniger harmlos ausgedrückt - teilweise unter sklavereiähnlichen Bedingungen», sagte jüngst der aus der Modebranche stammende Buchautor Carl Tillessen.

Die Rahmenbedingungen für den Welthandel haben sich sehr verändert - nach Ansicht von Ökonomen nicht erst seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. «Der Putin-Schock dürfte sich als der dritte große Rückschlag für die Globalisierung und die globalen Lieferketten in den letzten Jahren erweisen, nach dem Handelskrieg zwischen den USA und China sowie den Unterbrechungen der Lieferketten im Zusammenhang mit Covid», argumentiert die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS.

Produktion aus Billiglohnländern nach Deutschland zurückzuholen bedeutet tendenziell höhere Preise. Eine generelle Tendenz zur «Deglobalisierung» könnte die Güterströme verändern und dadurch die Verbraucherpreise nach oben treiben, schrieben Ökonomen der DZ Bank bereits im Mai 2021. Einen Preis für den Freiheitskampf der Ukraine zahlen somit auch die Menschen in Deutschland.
dpa
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Kommentare 
Ulrich Dittmann schrieb am 10.04.2022 13:10 Uhrzustimmen(34) widersprechen(10)
Das Versagen und Wüten unserer verantwortungslosen Schauspieler-Truppe, die sich Regierung nennt, ist verheerend.
Deutschland ist seit Jahren überfordert. Das eigene Volk wird ruiniert. Unsere „Drangsalierung“ (von „Regierung“ kann man nicht mehr sprechen) lässt es ungerührt verkommen. Man hat ja die Aufgabe „alle Welt zu retten“ und natürlich das Klima dazu – Motto „The whole world first, Germany last.
Ist es trottelhafte Unfähigkeit – oder ein schlicht kriminelles Verhalten unserer Politiker, das hier seit Jahren an den Tag gelegt wird?
Schwererarbeitete Steuergelder werden in aller Welt verschleudert – während das eigene Volk verkommt. Siehe auch geschönte Hartz4 und Arbeitslosenzahlen, Mini-Renten mit denen man auskommen muss, obwohl das ganze Leben lang hart gearbeitet wurde. Die heutigen Alten, die das zertrümmerte Deutschland nach dem Kriege wieder mit viel Schweiß aufgebaut haben, wühlen im Müll nach Pfandflaschen um über die Runden zu kommen. Zu beklagen ist eine heruntergefahrene Krankenversorgung, das finanzielle Elend in den Pflegeheimen, die einheimischen Obdachlosen auf unseren maroden Straßen, etc.
Die Frechheit mit der unsere im Elfenbeinturm residierende, fettgemästete Politikerclique in Berlin und Brüssel das deutsche Volk drangsaliert und ausbeutet und Steuergelder in aller Welt verstreut, ist unfassbar.
Eine Hyper-Inflation droht, doch der im Elfenbein thronende von Steuergeldern fettgemästete Ex-Bundespräsident und Pfarrer(!) Gauck, faselt pharisäerhaft und selbstzufrieden etwas von "wir müssen frieren für den Frieden" - wohl in Anlehnung an den irrsinnigen Merkel-Spruch "Wir schaffen das". Ähnlich
Ähnlich ätzend überheblich agiert der bräsig im Bundespräsidialamt residierende Steinmeier der ständig mit vergrämter Betroffenheitsmiene all das Weltenelend bejammert - analog er das Deutschvolk mit Mahnungen überhäuft, edel und gut, politisch korrekt, mit der Spendenbereitschaft ja nicht nachzulassen.
Was haben wir mit der Ukraine zu tun? Haben wir je Probleme mit Putin gehabt? Das Völkerrecht wird verletzt, lamentieren Washington und London. Doch wenn die Angloamerikaner von Menschenrechten reden, geht es immer nur um Schürfrechte. Sie sollten sich einmal an die eigene(!) Nase greifen!
Also - raus aus der Nato!? Das haben die Grünen zwar schon 1990 gefordert, aber seitdem sind sie es, die mit an vorderster Front zündeln, sich als Kriegstreiber profilieren..
Deutschland darf nicht zur Kriegsmarionette der USA/NATO/EU und Hauptschlachtfeld in Europa werden. Und wir dürfen uns keinen Sanktionen anschließen, die uns mehr schaden als allen anderen. Wir müssen unsere eigenen Interessen vertreten und uns für eine friedliche Lösung des Konfliktes einsetzen.
Überall hat Michl-Deutschland die Arschkarte. Und das wird sich nicht ändern, solange sich die auf politische Unterwürfigkeit dressierte Bevölkerung sich nicht ändert und endlich ihre Fesseln abstreift.
Wie lange wollen die deutschen Schlafschafe sich das alles noch gefallen lassen?
agricola schrieb am 06.04.2022 16:52 Uhrzustimmen(37) widersprechen(14)
Ist proplanta eigentlich ein staatlicher Propagandasender? Unser Wohlstand wir durch die politischen Fehlentscheidungen der letzten 30 jahre vernichtet. Wer regiert hat und wer jetzt regiert dürfte bekannt sein. Mit dem Ukrainekrieg hat das herzlich wenig zu tun.
johann96 schrieb am 06.04.2022 15:15 Uhrzustimmen(32) widersprechen(23)
Bei dem , wer uns regiert und wie regiert wird ist das die logische Konsequenz. Wer Befindlichkeiten anderer arrogant übergeht muss nun mal die Konsequenzen erleiden. Dumm nur Völker werden in Mitleidenschaft genommen , auch in deren Schuld. Hätte man Putin und Rußland vernünftig als Partner gesehen , alles wäre gut. Dieses Machtgehabe der EU und der Merkel voran war der Anfang. Wer sich zum Vasall Amerikas macht, und nicht merkt dass er nur benutzt wird hat es leider so verdient
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