Die von nahezu allen politischen Parteien und Nichtregierungsorganisationen einhellig begrüßten Änderungen sollten in der neuen Legislaturperiode vorangetrieben und im neuen Koalitionsvertrag verbindlich verankert werden, forderte Borchert am Montag vergangener Woche (30.8) auf einer Vortragsveranstaltung im Vorfeld der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Rind und Schwein (BRS) in Neumünster.
„Der Druck auf die
Tierhalter wird nicht sinken“, stellte der Ex-Minister klar. Bei Lösungen müsse die Politik vorangehen. Wenn eine Gesellschaft mehr
Tierwohl über dem gesetzlichen Standard fordere, dafür aber nicht bezahlen wolle, sei ein starker
Ausbau der zielorientierten staatlichen Förderpolitik erforderlich, so Borchert. Andernfalls provoziere man einen weiteren starken Strukturwandel.
Um eine Differenzierung am Markt zu ermöglichen, sprach sich der CDU-Politiker für die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels aus. Aber auch der Handel müsse sich zu deutscher Ware bekennen. Um bei der Finanzierung Verlässlichkeit zu gewährleisten, befürwortet Borchert separate Verträge zwischen Landwirten und Staat; zum einen für die
Investitionskosten und zum anderen für die steigenden variablen Kosten.
Schmitz gegen Abbau der Tierproduktion
Der emeritierte Gießener Agrarökonom Prof. Michael Schmitz gab zu bedenken, dass solche Einzelverträge einen enormen bürokratischen Aufwand bedeuten könnten. Er habe Bedenken, ob eine auskömmliche finanzielle Honorierung der betrieblichen Mehrkosten und eine verbesserte Akzeptanz des Sektors in der Öffentlichkeit realisierbar seien.
Der Umbau der Tierhaltung sei auch kein Garant für eine dauerhafte gesellschaftliche Akzeptanz und „die Nichtregierungsorganisationen werden keine Ruhe geben“, so Schmitz. Er vermisse zudem eine stärkere wissenschaftliche Begleitung. Es sei nicht klar, wie eine Tierwohlprämie im Detail auf
Konsum, Warenströme und Produktion wirke.
Der Marktexperte sprach sich für „eine ehrlichere Modellierung der Folgen eines Umbaus der Tierhaltung auf Basis geeigneterer Prognosemodelle“ aus. Zudem äußerte der Agrarökonom Skepsis gegenüber der Forderung, den Verbrauch und die Produktion tierischer
Erzeugnisse hierzulande aufgrund vermeintlicher Gesundheits-, Umwelt- und Ressourcenvorteile deutlich zu verringern. Eine transparente Abwägung von Kosten und Nutzen sowie die Berücksichtigung von Leakage- und Reboundeffekten eines solchen Schrittes seien dringend geboten.
Schmitz machte zugleich deutlich, dass sich Deutschland als Gunstregion intensiver an der
Welternährung beteiligen müsse und durch Extensivierung keine
Treibhausgasemissionen in Drittländer verlagert werden dürften. Der BRS-Vorsitzende Georg Geuecke warnte davor, dass „Deutschland seine Ernährungssicherheit aufgibt, wenn wir die Tierhaltung weiter einstampfen“. Mit einer Umsetzung der Borchert-Vorschläge lasse sich das abwenden.
Positive Erzeugererfahrung
Über seine positiven Erfahrungen auf dem Weg zu mehr Tierwohl berichtete bei der Tagung
Schweinehalter Jörg Struve. Er habe sich beim Bau eines Tierwohlstalls der Haltungsstufe III an den Forderungen des Beirats des Bundeslandwirtschaftsministeriums orientiert, der bereits 2015 „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ skizziert habe.
Die mehr auf das Tierwohl ausgerichtete Produktion habe ihm Vermarktungswege mit deutlichen Mehrerlösen ermöglicht, berichtete Struve. Diesen Weg wolle er weitergehen, wünsche sich dabei aber Rahmenbedingungen, die Planungssicherheit und den Erhalt des Standorts garantierten. Mehr in Tierwohl investiert hat auch der
Milchviehhalter Michael Petersen. Ausschlaggebend dafür sei eine erfolgreiche Bewerbung um Fördermittel aus dem Agrarinvestitions-Förderprogramm Schleswig-Holstein gewesen.
„Ohne diese Förderung wird es für
Betriebe schwer, derartige Investitionen zu stemmen, zumal der volatile
Milchmarkt ein hohes Risiko berge“, so der Betriebsleiter. Die finanzielle Sicherheit durch Fördermittel erleichtere die Entscheidung zu Gunsten von mehr Tierwohl deutlich.
Der Geschäftsführer der AFC Consulting Group, Dr. Michael Lendle, riet der Branche, ihre Kommunikation besser abzustimmen und zu vernetzen. Dabei müsse nicht nur der unterschiedliche Informationsbedarf relevanter Zielgruppen proaktiv berücksichtigt werden, sondern auch die darauf abgestimmten Instrumente. Lendle warb für mehr Mut, laut zu kommunizieren und Verbrauchergruppen positive Botschaften zu vermitteln.