Nasse und unter Wasser stehende Felder, einsinkende Mähdrescher, auf dem Halm keimendes Getreide und immer wieder Regengüsse. Die
Wetterkapriolen bereiten den Bauern große Sorgen. „Es ist dieses Jahr zum Verzweifeln“, sagt Leonhard Keller, Getreidepräsident des Bayerischen Bauernverbandes.
Nach einem zu trockenen April, einem nass-kalten Mai und Hitze und Trockenheit von Mitte Juni bis Ende Juli droht in vielen Gebieten Bayerns die
Getreideernte durch die anhaltenden Regenfälle zum Desaster zu werden. „In vielen Regionen ist es schon Realität,“ so Keller. „Etliche Getreidebauern nahmen zwar hohe Feuchtewerte in Kauf - Hauptsache, das Korn kam vom Halm. Nach den heftigen Regenfällen Anfang der Woche hat sich aber auch das erledigt, da die Befahrbarkeit der Felder nicht mehr gegeben ist,“ beschreibt Keller die Situation.
Hoffnung macht der
Wetterbericht für das Wochenende, der Sonne und höhere Temperatur vorhersagt. Aber auch dann wird noch Getreide auf einigen Feldern stehen bleiben, da die Mähdrescher auf den zu nassen Feldern einsinken würden.
Mehr als die Hälfte des Weizens noch nicht geerntet Wie eine
Umfrage des Bayerischen Bauernverbandes zeigt, stehen bei einigen Getreidearten noch zu große Mengen auf den Feldern. Nur die Ernte der
Wintergerste ist nahezu abgeschlossen.
Bei Sommergerste, Triticale und Roggen sind im Durchschnitt der Meldungen ca. 60 bis 70 Prozent der Bestände geerntet. Bei Weizen und Hafer steht über die Hälfte noch auf den Feldern. Nach Kellers Einschätzung war im Juli schon klar, dass die bayerischen Bauern infolge der Trockenheit mindestens 10 bis 15 Prozent weniger Getreide an Ertrag ernten. Dies hat sich durch die Umfrage mehr als bestätigt. Regional werden sogar Ertragsausfälle von bis zu 35 Prozent gemeldet. Das feucht-warme Wetter der letzten Wochen sorgt nun beim reifen Getreide für Auswuchs und schlechte Qualitäten. So sind die Qualitätsparameter meist nur bei Partien zufriedenstellend, die bis Anfang August geerntet wurden. Es werde aus allen Regionen Auswuchs gemeldet, so der Getreidepräsident. Die Folge seien niedrigere Fallzahlen bei Brotgetreide.
Für Keller ist die Fallzahl aber nur eines von vielen Kriterien zur Bestimmung der Weizen- und Roggenqualität: „Ich gehe davon aus, dass auch Getreide mit einer niedrigeren Fallzahl noch backfähig ist.“ Einige Mühlen in Bayern hätten angesichts der sich abzeichnenden Probleme mit den Fallzahlen bereits Kompromissbereitschaft signalisiert. Beim Marktgespräch der Landesvereinigung der Erzeugergemeinschaften Ende August will Keller diesen Sachverhalt mit den Müllereivertretern weiter diskutieren.
Was bleibt den Bauern?
Für viele Bauern sei das jedoch ein schwacher Trost, denn ihr Getreide werde nach den neuerlichen Niederschlägen oft nur als Futtergetreide Verwendung finden. Pilzbefall sorgt teilweise dafür, dass es nicht einmal als Futtergetreide geeignet ist. „Als Absatzmarkt helfen hier nur Biogasanlagen, allerdings mit deutlich niedrigeren Preisen,“ sagt Keller. Damit gehe der aktuelle Preisanstieg, ausgelöst durch die Rücknahmen der Ernteerwartungen in Europa, Kanada und vor allem Russland, an vielen bayerischen Landwirten vorbei.
Niedrigere Hektarerträge und Qualitätsabzüge bewirkten, dass die höheren
Erzeugerpreise für Getreide dadurch quasi egalisiert würden. „Unterm Strich bleibt kaum mehr als in den vergangenen zwei Jahren mit völlig unzureichenden Preisen. Kommen Trocknungskosten hinzu, bleibt den Bauern sogar noch weniger“, befürchtet Keller. Die „reflexartige Ankündigung von Preiserhöhungen“ von Seiten einiger Großbäcker und deren Verbände kann Keller nicht verstehen. „Aus 100 Kilogramm Brotgetreide bäckt ein Bäcker mindestens 2.200 Semmeln oder 200 Pfund Brot. Daran kann man ohne zu rechnen erkennen, dass der Einfluss des Getreidepreises marginal ist“, stellt Keller fest. Eines müsse aber den Verbrauchern auch klar sein: Die Zeiten, in denen hochwertige Lebensmittel immer billiger werden, seien vorbei.
Nur knapp zehn Prozent geben die Verbraucher in Deutschland für Lebensmittel aus. „Deshalb müssen moderate Preisanstiege, wie ich sie in den nächsten Jahren erwarte, von unserer Gesellschaft mitgetragen werden“, appelliert Keller. Das Wetterrisiko und das Preisrisiko volatiler Märkte verdeutlichten einmal mehr, dass die Landwirtschaft mit keinem anderen Wirtschaftszweig zu vergleichen sei. Das Jahr 2010 sei besonders extrem. Die heimische Landwirtschaft brauche Rahmenbedingungen, um mit diesen Risiken leben zu können. Dazu zählt Keller zum Beispiel die steuerfreie Risikorücklage. Vorerst wünscht er sich aber nur ein paar trockene Tage in Bayern, damit die Ernteverluste nicht noch größer werden. (bbv)