Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
30.01.2012 | 12:48 | Agrarmärkte 

Getreide: Wettermärkte, Russland und US-Geldpolitik starten Rallye

Wien - Wettermärkte, Russlands Getreideexport- und die Geldpolitik der USA mit einem schwachen Dollar: Dieses Triumvirat schickte die Kurse für Agrarrohstoffe an den internationalen Warenterminbörsen auf eine von den fundamentalen Markdaten her bis dahin nicht zu erwarten gewesene Rallye.

Maispreise
(c) proplanta
Sowohl an der Chicagoer Leitbörse CBOT als auch an der Euronext in Paris zogen die Notierungen für Weizen, Mais, den Sojakomplex beziehungsweise Raps an den sechs Handelstagen bis zum Donnerstag letzter Woche stetig an: Der europäische Weizenfutures nahm dabei locker die psychologisch wichtige Hürde von EUR 200,- pro t und schloss am Donnerstag bei EUR 209,25 pro t, dem höchsten Wert für den Frontmonat seit Ende August 2011. Der Soft Red Winter-Futures an der CBOT kletterte binnen der sechs letzten Handelstage bis Donnerstag um mehr als 10 % in die Höhe.

Erst letzten Freitag legten die Börsen wieder eine Atempause ein und der Markt fragt sich auch noch über die Nachhaltigkeit des Preisanstiegs. Dennoch sei laut US-Analysten der Soft Red Winter zurzeit der wettbewerbsfähigste Weizen am Weltmarkt, nicht zuletzt weil die Ankündigung der US-Notenbank Fed, das Zinsniveau bis 2014 bei oder nahe bei null zu lassen, die Anleger aus dem US-Dollar raus- und in andere Risken wie Rohstoffe reingehen ließ. Auch Öl und Gold gingen so kräftig in die Höhe.


Wichtige Exporteure scheiden aus und zittern um ihre Ernten

Vom Wetterphänomen La Nina verursachte Dürre und Hitze bei den großen südamerikanischen Mais- und Sojaproduzenten Argentinien und Brasilien, bis zu 30 % Ausfälle bei den Wintersaaten in der Ukraine nach der Herbsttrockenheit sowie um 15° Celsius unter dem langjährigen Durchschnitt liegende Fröste von minus 23° bis 30° Celsius im der südrussischen Kornkammer und im Nordkaukasus lassen die Börsianer weltweit um die Erträge der laufenden Mais- und Sojaernten auf der Südhalbkugel sowie um die Weizenerträge auf der Nordhalbkugel bei der kommenden Ernte 2012 zittern.

Die ukrainische Analyst ProAgro meinte letzten Donnerstag, die Ukraine werde sich nach der Rekordernte 2011 mit 56,7 Mio. t im kommenden Sommer 2012 mit einer Ertragsaussicht von nur 40 Mio. t begnügen müssen. Dies dürfte das Weizenexportpotenzial des Landes - 2011/12 soll mit 7 Mio. t ein Drittel der Weizenernte von 21 Mio. t auf den Weltmarkt geworfen werden - in der nächsten Saison 2012/13 empfindlich treffen. Gleichzeit aber bedeutet dies, so ukrainische Wetterdienste, dass im Frühjahr 2012 ein Drittel der Wintersaatenfläche im Ausmaß von 2 Mio. ha mit Sommerkulturen wie Mais nachbestellt werden dürfte. Dies könnte die Maisfläche der Ukraine zur Ernte 2012 gegenüber dem Vorjahr um 22 % auf 4,4 Mio. ha anwachsen lassen. Von den 17 Mio. t 2011 eingefahrenen Mais will die Ukraine im laufenden Wirtschaftsjahr schon 70 %, nämlich 12 Mio. t, außer Landes vermarkten.

Für Argentinien lauten zurzeit die Ernteschätzungen zwischen 13,7 bis 14 Mio. t Weizen nach 15 Mio. t 2010/11, auf 45 bis 47 Mio. t Sojabohnen nach 49 Mio. t im Vorjahr sowie auf 19 bis 21 Mio. t Mais nach 22,5 Mio. t. Das brasilianische Landwirtschaftsministerium prognostiziert zurzeit eine Sojaernte von lediglich 71,5 Mio. t nach dem Rekordwert von 75,3 Mio. t im Vorjahr.

Brasilien und Argentinien stehen für rund die Hälfte des Sojawelthandels und spielen auch beim Maisexport an der Weltspitze mit.


Argentinien weg vom Weizenmarkt - Gerüchte um neuerliche russische Exportbremse

Hat Argentinien zuletzt den Weizenweltmarkt mit aggressiven Geboten ordentlich aufgemischt und die Preise gedumpt, zogen sich die Exporteure vom Plata nun im Angesicht der ungewissen künftigen Versorgungslage schlagartig vom Weltmarkt zurück. Ähnliches dräut von Russland: Hat Moskau doch nach der üppigen Weizenernte 2011 mit 57 Mio. t die Devise ausgegeben, bei einem Exportziel von etwa 24 Mio. t die Bremse mit Exportzöllen anziehen zu wollen - bis Mitte letzter Woche waren, so Vizepremier Viktor Zubkov, jedoch schon 19,5 Mio. t erreicht.

Die Gerüchteküche an den Märkten heizte zudem der Agrarattaché des US-Landwirtschaftsministeriums USDA in Moskau kürzlich weiter mit einem Bericht an, wonach Russland im April seine Grenzen für den Weizenexport dicht machen könnte. Tatsächlich gelten die Weizenbestände in den südlichen, nahe den Exporthäfen am Schwarzen Meer gelegenen Regionen Russlands schon als weitgehend ausverkauft. Exportweizen muss nun über tausende Kilometer aus marktfernen Regionen wie Sibirien herangekarrt werden. Trotz massiver staatlicher Subventionen für den Transport von Exportgetreide schnellten dadurch zuletzt die russischen Weizenpreise in die Höhe. Zudem behindern ein Mangel an Wagonraum und vereiste Häfen den Exportfluss zusätzlich und schwebt über all dem die Befürchtung massiver Ertragseinbrüche zur Ernte 2012 durch Auswinterungsschäden.


Auch Ukraine und Kasachstan geht die Luft aus

Auch der Ukraine schien zuletzt die Luft bei den Exporten auszugehen: Fielen die Exportzahlen im Dezember 2011 gegenüber dem November schon von 2,29 auf 2,18 Mio. t, brachte man im Jänner bis zum 25. des Monats nur mehr 775.000 t Getreide - zum Großteil auch nur Mais - außer Landes. Auch in der Ukraine und ebenso beim dritten großen der Schwarzmeer-Exporteure, Kasachstan, bremsen Logistikengpässe das Tempo. Außerdem scheinen die Kasachen Probleme mit ihrer Weizenqualität zu haben. Die staatliche ägyptische Getreideimportagentur GASC stieß nämlich kürzlich erst eine Schiffsladung kasachischen Weizens, weil darin unerlaubte Saaten gefunden worden seien. Damit hat noch kein einziges der bisher in der laufenden Saison von Ägypten in Kasachstan bestellen vier Schiffe mit Getreidelieferungen sein Ziel im Land am Nil erreichen können.


Heftige Nachfrage am Weltmarkt trifft auf ausgetrocknetes Angebot

Dem Ausfall wichtiger Exporteure am Weltmarkt und dem Austrocknen der Angebotsliquidität steht aber gerade eine neue Welle von Importausschreibungen wichtiger Zuschussländer gegenüber: Mit dem Irak, Jordanien und Äthiopien, die zurzeit ihre Fühler nach Weizenlieferungen ausstrecken, liegt am Weltmarkt Kaufinteresse für bis zu 500.000 t in den kommenden Wochen am Tisch, das als nur schwer zu bedienen gilt.


EU und USA wittern ihre Chancen am Weltmarkt

All diese Umstände mit dem Ausscheiden des Mitbewerbs spielen den verbliebenen Big-Playern am Getreideweltmarkt, den USA, Kanada, Australien und der EU, in die Karten. Die Lagerhalter hier beginnen sich nun angesichts der gestiegenen Preise zu bewegen und Ware auf den Markt zu bringen. Den US-Exporteuren kommt dabei trotz gestiegener Preise der schwache US-Dollar zuhilfe, während die Euronext den für Ausfuhren aus Europa wettbewerbshemmenden härteren Euro einfach ignorierte und den US-Börsen folgte. Die USA meldeten für die Woche bis 19.01. Weizenexporte von 604.700 t - 59 % mehr als im Schnitt der vergangenen vier Wochen - und ebenso stolze 958.100 t Maisausfuhren.

Auch die EU, vor allem Frankreich, mischt mit: Besonders in Ägypten und Algerien haben französische Weizenausfuhren ihren festen Platz erobert. Ägypten habe 180.000 t Weizen gekauft, davon 120.000 t in Frankreich zu Preisen von USD 258,87 bis 260,72 (EUR 196,93 bis 198,34) pro t fob, berichtete die EU-Kommission am Donnerstag im Verwaltungsausschuss in Brüssel. Algerien habe sich mit 150.000 t Mahlweizen in Frankreich und Russland eingedeckt. Die Preise für das Algeriengeschäft lagen zwischen USD 277,- und 278,- (EUR 210,73 und 211,49) pro t c&f. Schließlich hat Südkorea nach Angaben der Kommission 225.000 t Futterweizen gekauft. Die Preise sollen zwischen USD 269,75 und 273,- (EUR 205,21 und 207,68) pro t liegen. Die Lieferländer für Südkorea nannte die Kommission nicht. Zwischen dem 18. und dem 24.01. würden in Brüssel Ausfuhrlizenzen für 217.000 t Weizen nachgefragt, davon 177.000 t aus Frankreich und 15.000 t aus den Niederlanden.
zurück
Seite:12
weiter
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Ukraine darf auf Verlängerung des Agrarabkommens hoffen

 Internationaler Weizenmarkt: EU verliert Marktanteile an Russland

 Getreideproduktion: EU-Kommission erwartet mehr Mais und weniger Weizen

 USA: Farmer säen weniger Mais und Weizen

 Matif-Futures erholen sich

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken