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27.10.2008 | 11:24 | Getreidemarkt 

Getreidemarkt kämpft um Befreiung von externen Faktoren

Brotgetreidemarkt in Österreich flau - Maispreis unter Interventionspreis gefallen

Ähre
Wien/Paris/Brüssel/Chicago/Moskau/Kiew/Astana - Die Terminmärkte von Agrarrohstoffen bleiben eng an das Geschehen an den Aktienmärkten und am Rohölmarkt gekoppelt - mit diesen geht es entweder rauf oder runter mit den Kursen. Weiters machen sich Verschiebungen in der Parität des Euros gegenüber dem US-Dollar bemerkbar. Nach einer Phase der Abschwächung legte der Euro am Donnerstag gegenüber dem US-Dollar wieder zu. Prompt übte dies wegen der Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit von Exporten der EU Druck auf den Weizenfutures zum vordersten Liefertermin November an der Euronext in Paris aus, während die späteren Liefertermine knapp im Plus blieben. Dennoch konnten die Pariser Weizenkurse über den gesamten Verlauf der Woche im Gegenzug zu den US-Börsen, die in Summe weiter verloren, wieder etwas zulegen und sich über EUR 140,- pro t halten. Interessant scheint, dass der vorderste Liefertermin, November 2008, an der Euronext höher notiert als die späteren Liefertermine des laufenden Wirtschaftsjahres 2008/09. Der EU-Weizenterminmarkt wie der Kassamarkt werden zurzeit offensichtlich von der anhaltend starken Exportkonjunktur beflügelt. Insbesondere in Frankreich und Deutschland ist die Logistik mit der Erfüllung von Exportkontrakten voll ausgelastet. Die Getreide-Importzölle der EU werden am Sonntag (26.10.2008) in Kraft treten.

In der Woche bis zum 23. Oktober vergab die EU-Kommission Lizenzen für 482.000 t Weizenexport. Ägypten kaufte am Mittwoch 175.000 t französischen Weizen zu Preisen zwischen EUR 149,89 und 151,83 pro t fob zur Lieferung in der zweiten Novemberhälfte. Frankreich lieferte jüngst auch große Mengen Weizen an den heuer von Dürre geplagten Iran. Im Exportwettbewerb mit Russland und der Ukraine kommt der EU zugute, dass die beiden osteuropäischen Anbieter ganz offensichtlich Probleme mit ihrer Weizenqualität haben. Dennoch hat Russland 2007/08 bislang schon 6,52 Mio. t Weizen exportiert. Laut dem Moskauer Consulting- und Forschungszentrum für Agrarökonomie, Sovecon, übertrafen die Exporte von Weizen in den Monaten Juli bis September das Vorjahresergebnis um 1,26 Mio. t. Dabei war Ägypten der bedeutendste Abnehmer von russischem Weizen, gefolgt von der Türkei und Pakistan. Auch Kasachstan will 2008/09 keinen Getreide-Exportstopp mehr verhängen, versicherte der Ministerpräsident der mittelasiatischen Republik, Karim Massimow, kürzlich. Er betonte zwar die Notwendigkeit, Steigerungen der Brotpreise zu verhindern, stellte jedoch klar, dass es dafür aber andere stabilisierende Instrumente gebe. Wie der kasachische Landwirtschaftsminister, Akylbek Kurischbajew, seinerseits deutlich machte, soll die mit 17,5 Mio. t vor Trocknung und Reinigung erwartete Getreideernte neben der Deckung des Binnenbedarfs Exporte von 5,5 bis 6 Mio. t ermöglichen. Nach zu intensiven Ausfuhren von Weizen stoppte die kasachische Regierung bekanntlich im Zeitraum April bis August 2008 den Export.

Wichtige GUS-Getreideerzeuger streben Koordination am Weltmarkt an

Russland, die Ukraine und Kasachstan wollen ihre Exporttätigkeit am Getreideweltmarkt abstimmen. Ein vom russischen Staatspräsidenten Dmitrij Medwedew initiierter "Getreide-Gipfel" soll dies im Juni kommenden Jahres ermöglichen, erklärte Landwirtschaftsminister Alexej Gordejew dieser Tage nach Verhandlungen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Jurij Melnik am Rande der nationalen Agrarindustriewoche 2008 in Moskau. Die Getreideproduktion der drei bedeutendsten Erzeugerländer innerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) soll heuer bei insgesamt rund 165 Mio. t liegen.

Exporteure von der Südhalbkugel verschärfen trotz geringer Ernteaussichten Konkurrenz

In Kürze wird aber die Konkurrenz am Weltmarkt auch dadurch härter, dass die Exporteure der südlichen Halbkugel mit ihrer neuen Ernte auf den Markt kommen. Auf der Südhalbkugel verringern sich aber die Ernteerwartungen beim Weizen laufend. Argentinien erwartet nur mehr zwischen 9,5 und 11 Mio. t Weizen nach 16 Mio. t im Vorjahr. In Australien lassen Dürre und Frost die Schätzungen für die angelaufene Weizenernte von ursprünglich bis zu 26 Mio. t mittlerweile um die 20 Mio. t oder sogar darunter schwinden (2007/08: 13,04 Mio. t). Die bei den gegenwärtigen Preisen mangelnde Wirtschaftlichkeit lässt bei der kommenden Aussaat wiederum global einen Rückgang der Weizenproduktion befürchten. Dazu kommen Probleme der Landwirtschaft, wegen der Finanzkrise an Betriebsmittelkredite zu kommen, und hohe Kosten für Energie und Dünger. So schraubt man zum Beispiel in Brasilien die ursprünglich euphorischen Erwartungen an den Absatz von Dünger in diesem Jahr wieder zurück. Im vergangenen Jahr wurde in Brasilien eine Rekordmenge von 24,6 Mio. t Dünger verkauft, heuer erwartet man nur mehr einen leichten Anstieg.

In Europa wiegen weiter erhöhte Erntemeldungen "bearish"

Als "bearish" wurde in Europa dagegen die jüngste Ernteschätzung des britischen Agrarressorts aufgenommen, wonach das Königreich heuer eine gegenüber 2007 um 32% größere Rekord-Weizenernte von 14,76 Mio. t - der Großteil allerdings Futterweizen - eingefahren habe. Auch die Ukraine revidierte ihre Ernteschätzung neuerlich nach oben. Das Kiewer Landwirtschaftsministerium beziffert die diesjährige Getreideernte nun mit 49,7 Mio. t. nach bislang 48,6 Mio. t. Die Korrektur sei angesichts einer um 9,3 Mio. t höheren Ernteerwartung für Körnermais vorgenommen worden, erklärte Ressortchef Melnik. 2007 wurden in der Ukraine lediglich 29,3 Mio. t Getreide eingebracht.

US-Börsen weiterhin im Banne externer Faktoren

An den US-Börsen haben fundamentale Marktdaten immer noch wenig das Sagen. Dies wird erst wieder der Fall sein, wenn sich die externen Märkte etwas beruhigen. US-Exporteure profitieren vor allem vom drastischen Verfall der Seefrachtraten. Dennoch verloren die Weizenexporte aus den USA in der abgelaufenen Woche mit 386.900 t etwas an Schwung. Sie reichen aber dafür aus, die Kassamärkte zu befestigen und sich besser halten zu lassen als die Terminmärkte.

Heimischer Weizenmarkt zurzeit sehr flau

Sehr flau verläuft zurzeit der österreichische Brotgetreidemarkt. Mühlen tätigen, weil entweder aus der Ernte noch gut gedeckt oder verunsichert, wieweit der jüngste Preisverfall noch weitergehen kann, nur die allernotwendigsten Anschlussgeschäfte. Aber auch die Abgabebereitschaft von Lagerhaltern hält sich angesichts der Unsicherheit über die Preisentwicklung in Grenzen. Vor diesem Hintergrund konnte die Börse für Landwirtschaftliche Produkte in Wien diesen Mittwoch die Brotgetreidenotierungen gerade noch fortschreiben, wobei sich an den Preisbändern diesmal nichts änderte. Generell halten sich die Wiener Weizennotierungen weiterhin deutlich über dem Niveau der Euronext.

Maismarkt: Zentraleuropa ist anders - Wiener Notierung unter Interventionspreis gefallen

Beim Mais kommt weltweit ähnlich wie im Sojakomplex zur derzeitigen von externen Faktoren ausgelösten Unsicherheit die Angst hinzu, dass eine Rezession der Realwirtschaft die Nachfrage einbrechen lassen könnte. Der Maisfutures an der CBOT legte nach einem teils turbulenten Auf und Ab im Wochenabstand bis Donnerstag dieser Woche leicht zu, ebenso wie der Maisfutures an der Euronext in Paris, der sich wieder spürbar über EUR 130,- pro t befestigen konnte.

Anders jedoch der Maismarkt in Zentraleuropa und damit auch in Österreich: Unter starkem Druck aus Ungarn gaben am Mittwoch die Wiener Notierungen, zurzeit bestimmt von den Aufkäufen industrieller Verarbeiter, für Industriemais um EUR 6,- und für Futtermais um EUR 4,50 pro t weiter nach. Mit EUR 100,50 pro t halten beide nun gleichauf einen Großhandelsabgabepreis unter dem Interventionspreis von EUR 101,31 pro t. Ungarn bietet Mais zur Lieferung im Dezember fob Adriahafen Koper momentan um rund EUR 124,- pro t an. Damit ist unter Berücksichtigung der Kosten für das Fobing und des Transports nach Koper von zusammen sicherlich EUR 33,- pro t selbst für Anbieter aus dem südlichem Maisanbaugebiet Österreichs die Exportschiene verbaut. In der Branche heißt es weiter, einige gewerbliche Erfasser würden zurzeit kaum mehr Mais aufkaufen, weil ihre Lager entweder voll wären oder sie sich nach Verlusten beim Aufkauf aus der vorigen Ernte 2007 beziehungsweise wegen Schwierigkeiten bei der Finanzierung aus dem Aufkauf zurückzögen.

Forderung nach Marktmanagement durch die EU

Damit bleibt weiter die massive Forderung am Tisch, das Verteilungsproblem am europäischen Maismarkt mit der Aufstockung der 2008/09 auf 700.000 t begrenzten Maisintervention und mit Zuschüssen zu den Transportkosten von Mitteleuropa auf die iberische Halbinsel zu entschärfen. Dennoch machte die EU-Kommission bisher keinerlei Anstalten, den Forderungen der mitteleuropäischen Mitgliedstaaten nach Marktmanagement nachzukommen, und die Hoffnungen darauf in Zukunft gelten auch als sehr begrenzt. Zumindest wird die EU ihre Getreidezölle - auch für Mais - am Sonntag in Kraft setzen; der Satz von EUR 8,68 pro t kann sich aber bald wieder ändern.

Russland: Staat kann bis zu 6 Mio. t Getreide vom Markt nehmen

Beherzter als die EU geht Russland bei der Intervention am Getreidemarkt ans Werk: 5 bis 6 Mio. t Getreide aus der Ernte 2008 können interveniert werden. Dies ist mindestens dreimal so viel wie zuletzt 2006. Dafür stünden RBL 30 Mrd. (EUR 839,2 Mio) zur Verfügung, erklärte Landwirtschaftsminister Alexej Gordejew. Russische Marktexperten heben die Bedeutung der Intervention insbesondere angesichts der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten hervor. Durch die Finanzkrise könnten die Ausfuhren von Getreide beeinträchtigt werden, befürchtet unter anderem die Russische Getreideunion. Deren Vizepräsident Alexander Korbut beziffert zwar die möglichen Exporte noch immer mit rund 20 Mio. t, räumte jedoch ein, dass sich die kaufkräftige Nachfrage nach russischem Exportgetreide in der letzten Zeit deutlich eingeschränkt hätte. Das Landwirtschaftsministerium hatte bis zuletzt mit Exporten von 20 bis 25 Mio. t Getreide gerechnet.

Bei der diesjährigen Intervention wird in Russland neben Brotgetreide erstmals auch Futtergetreide angekauft. Bislang wurde vorwiegend Futterweizen angeboten, was durch die Struktur der Getreideernte und die vorerst noch relativ hohen Marktpreise für Brotweizen bedingt war. So sind bis Anfang dieser Woche 203.600 t Futterweizen, aber gar kein Brotweizen mittlerer Qualität und nur 33.000 t an Weizen einfacher Qualität angekauft worden. In dieser Woche wurden aber erste 2.700 t beziehungsweise weitere 38.000 t Brotweizen mittlerer und einfacher Qualität erworben.

Ölsaaten: Talfahrt der Wiener Rapsnotierung vorerst gestoppt

Vorerst zum Stillstand kam diese Woche die Talfahrt der Wiener Rapsnotierung, während aus der nahezu abgeschlossenen Sonnenblumenernte noch immer keine Preise - weder auf Erzeuger- noch auf Großhandelsstufe - bekannt gegeben werden. Es heißt lediglich, die Erlöse würden gegenüber der vorigen Ernte voraussichtlich mindestens im selben Ausmaß wie die Rapspreise nachgeben, weil auch bei Sonnenblumen ein starker Mengendruck aus dem östlichen Zentraleuropa herrsche. (aiw)
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