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21.11.2021 | 10:30 | Umsatzsteuer 

Pauschalierung wird weniger attraktiv

Berlin - Bei der Umsatzsteuerpauschalierung wird es aller Voraussicht nach ab Beginn des kommenden Jahres deutliche Einschränkungen geben.

Umsatzsteuer-Pauschalierung
Bundestag beschließt Absenkung des Durchschnittssatzes auf 9,5 Prozent - Pauschalierung nur bis zu einem Jahresumsatz von weniger als 600.000 Euro. (c) proplanta
Mit den Stimmen der wahrscheinlichen künftigen Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP hat der Bundestag in der vergangenen Woche den noch vom bisherigen Kabinett vorgelegten Gesetzentwurf „Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht“ beschlossen. Eine Zustimmung des Bundesrates möglicherweise schon in dieser Woche gilt als sicher.

Mit der Neuregelung wird der Durchschnittssatz für die Umsatzsteuerpauschalierung ab 1. Januar 2022 von 10,7 % auf 9,5 % abgesenkt. Zudem wird die Anwendung der Pauschalierung auf Betriebe mit einem Umsatz von weniger als 600.000 Euro im Jahr beschränkt.

Die Bundesregierung veranschlagt die steuerlichen Mehrbelastungen infolge der Änderungen auf 80 Mio. Euro im kommenden Jahr und auf jährlich 95 Mio. Euro ab 2023. In einer öffentlichen Anhörung hatte der Deutsche Bauernverband (DBV) seine Kritik an dem Berechnungsverfahren für den Durchschnittssatz bekräftigt. Die Union warf den Koalitionären ein überhastetes Vorgehen vor.

Schmerzhafte Einschnitte

Die Grünen-Abgeordnete Dr. Ophelia Nick räumte in der Bundestagsdebatte am Donnerstag (18.11.) ein, dass die Neuregelung insbesondere für kleinere Betriebe „schmerzhafte Einschnitte“ mit sich bringen werde. Angesichts der Forderungen der Europäischen Kommission und einem drohenden Klageverfahren gegen Deutschland seien die Anpassungen im Umsatzsteuerrecht jedoch unvermeidlich, sagte die Abgeordnete in ihrer ersten Rede im Parlament.

Immerhin gelinge es damit, die Pauschalierung für Betriebe mit einem Jahresumsatz bis 600.000 Euro zu erhalten. Nick kündigte an, sich in ihrer parlamentarischen Arbeit auf die Agrarpolitik zu konzentrieren. Sie werde sich mit Nachdruck für die Belange der Bauern einsetzen.

Nachdem in der Vergangenheit viele Probleme liegen geblieben seien, sei man jetzt „zum Handeln gezwungen“. Dabei müsse es darum gehen, Leistungen der Betriebe im Natur-, Klima- und Tierschutz gezielt zu honorieren und mehr Wertschöpfung durch Qualität und regionale Versorgung zu erzielen.

Mangelhaft und nicht fertig durchdacht

Kritik kam von der voraussichtlichen künftigen Opposition. Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, bezeichnete den vom Bundesfinazministeriumvorgelegten Gesetzentwurf als mangelhaft und nicht fertig durchdacht. Erst durch die Intervention von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner habe die Vorlage aus dem Finanzressort noch erheblich verbessert werden können.

So habe die SPD ursprünglich eine Absenkung des Pauschalsteuersatzes auf 9 % geplant. Nunmehr habe es „die Ampel“ versäumt, einen finanziellen Ausgleich zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Betriebe vorzusehen. Zudem fehle es an einer transparenten und nachvollziehbaren Berechnungsmethode für den Durchschnittssatz.

CSU-Agrarsprecher Artur Auernhammer verwies auf die Bürokratievereinfachung für kleine und mittlere Betriebe durch die Umsatzsteuerpauschalierung. Entlastung gerade für diese Betriebe sei offensichtlich jedoch „nicht im Sinne der neuen Mehrheiten im Bundestag“. Auernhammer sieht darin „einen ersten Aufschlag für das, was von einer möglichen links-gelben Regierungskoalition für unsere Landwirte zu erwarten sein wird“.

Berechnungsverfahren ungenügend

Der Bauerverband wies in der öffentlichen Anhörung des Bundestagshauptausschusses am Montag (15.11.) erneut darauf hin, dass der künftige Durchschnittssatz für die Umsatzsteuerpauschalierung von 9,5 % dem Anspruch an das Berechnungsverfahren nicht gerecht werde. Hintergrund ist nach DBV-Angaben, dass die Pauschalierung ab 2022 nur noch angewendet werden darf, wenn der Umsatz des Unternehmens im vorangegangenen Kalenderjahr weniger als 600.000 Euro betragen habe.

Die Berechnung der Pauschale beziehe jedoch noch Zeiten mit ein, in denen über 10.000 Betriebe mehr die Pauschalierung wegen höherer Grenzen hätten anwenden können. Die vorgesehene Neuregelung verstoße damit gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung. Außerdem werde eine Umstellung des Pauschalierungssatzes mitten im laufenden Wirtschaftsjahr erhebliche buchführungsrechtliche Probleme und Komplikationen nach sich ziehen, warnte der Bauernverband und schlug vor, die Neuregelung noch nicht zum 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen.

Rechtssicherheit zwingend notwendig

Für den Zentralverband Gartenbau (ZVG) ist es zwingend erforderlich, dass die Betriebe die Umsatzsteuerpauschalierung künftig rechtssicher anwenden können. Der ZVG begrüßte, dass die jährliche Anpassung des Pauschalsteuersatzes auch weiterhin im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erfolgen solle.

Dabei plädiert der ZVG im Rahmen der jährlichen Anpassung für den 30. Juni als Stichtag, an dem die Anpassung des Pauschalsteuersatzes feststehen müsse. Nur so sei sicherzustellen, dass die Betriebe bei Vertragsverhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel und verarbeitenden Lebensmittelunternehmen auf Grundlage korrekter Werte kalkulieren könnten. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) warnte vor einer höheren Belastung der hauptsächlich betroffenen kleineren landwirtschaftlichen Betriebe.

Intransparent und nicht nachvollziehbar

Auch die AbL bemängelte, dass bei der Berechnung des Steuersatzes Betriebe einbezogen worden seien, deren Umsatz mehr als 600.000 Euro betragen und damit über der Höchstgrenze für die Pauschalierung gelegen habe. Irritiert ist man bei der Arbeitsgemeinschaft darüber, dass es vielfach Zusagen gegeben habe, den Steuersatz bei 10,7 % zu halten.

Der Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS) begrüßte die Initiative der Bundesregierung, die Umsatzsteuerpauschalierung in der Landwirtschaft angesichts von Bedenken der EU auf eine rechtssichere Basis zu stellen. Allerdings nannte der HLBS das Berechnungsverfahren für den Pauschalierungssatz „intransparent und nicht nachvollziehbar“.
AgE
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