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14.04.2024 | 13:04 | Energiemarkt 
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Nach Atomausstieg boomen erneuerbare Energien in Niedersachsen

Lingen - Nach dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks in Niedersachsen im vergangenen Jahr zieht die Landesregierung eine positive Zwischenbilanz.

Erneuerbare Energien
Vor einem Jahr war auch in Niedersachsen Schluss mit Strom aus Atomkraftwerken. Das Land setzt auf den deutlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien. (c) proplanta
So stieg nach Angaben des Umwelt- und Energieministeriums die Menge des aus erneuerbaren Quellen erzeugten Stroms deutlich an. Erstmals habe Niedersachsen 2023 mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als verbraucht.

«Unser Strom ist zu 100,6 Prozent klimaneutral aus Erneuerbaren Energien und wir exportieren viel erneuerbaren Strom in andere Bundesländer. Wir brauchen den teuren Atomstrom nicht», sagte Minister Christian Meyer (Grüne) am Freitag. Am 15. April 2023 wurden mit den Atomkraftwerken in Lingen, Neckarwestheim 2 und Isar 2 die drei letzten Kernkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen. 

Freude und Sorgen bei Atomkraftkritikern

Atomkraftkritiker weisen auf noch bestehende Risiken auf dem Kraftwerksgelände in Lingen hin. Nach wie vor lagere auf dem Gelände radioaktiver Abfall, sagte Alexander Vent vom Bündnis Atomkraftgegner*innen im Emsland (AgiEL): «Wir wissen immer noch nicht, was damit passieren soll.» Im Moment gebe es Prognosen, wonach das Material frühestens im Jahr 2100 von dem Gelände beseitigt werde.

«Wir hinterlassen unseren Kindern und Kindeskindern in Lingen einen riesengroßen Berg gefährlichen, giftigen, strahlenden Materials», erklärte Vent. Froh seien die Atomkraftgegner und -gegnerinnen allerdings darüber, dass seit der Abschaltung die Gefahr eines großen Unfalls nicht mehr bestehe. «Die akute Gefahr, die von einem laufenden Atomkraftwerk ausgeht, ist jetzt auf jeden Fall Geschichte», erklärte Vent.

Energieversorgung zwar sicher, aber teurer

Atomkraftbefürworter machen auf den wegen des Ukraine-Kriegs gestiegenen Energiepreis aufmerksam. Er habe nach wie vor kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung in einer Mangelsituation die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet hat, sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, Volker Müller. Die Energieversorgung sei wegen des Atomausstiegs aus seiner Sicht zwar nicht unsicherer geworden, aber doch teurer.  «Deshalb hätte man die Atomkraft verlängern sollen, nicht unbestimmt, sondern für die Krisenzeit», sagte Müller. Gleichzeitig hätte man die Energiewende weiter nach vorn bringen müssen.

Auf dem Kraftwerksgelände befindet sich noch strahlendes Material

Nachdem Abschalten des Reaktors in Lingen wurden die Brennelemente aus dem Reaktordruckbehälter genommen und in ein Brennelementlagerbecken umgeladen. Dort werden nach Angaben des Ministeriums die Brennelemente weiter gekühlt, bis sie die Voraussetzungen für eine Beladung in einen Castor erfüllen und anschließend in das benachbarte Standortzwischenlager der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung mbH (BGZ) überführt. Die Brennelemente bleiben dort, bis in Deutschland ein Endlager für hoch radioaktiven Müll gefunden wurde. Nach neuen Planungen des Bundes könne sich das bis 2080 hinziehen. 

Auch Atombefürworter gibt es noch

Aus Sicht des niedersächsischen Unternehmensverbands-Geschäftsführers Müller war der Atomausstieg in Deutschland ein Fehler. Die klimafreundlichste Energieversorgung sei aus seiner Sicht die Atomkraft. Sie verursache keine klimaschädlichen Emissionen und sei im Gegensatz zu Strom aus Wind oder Sonne grundlastfähig. Auch die CDU-Fraktion im Landtag spricht sich dafür aus, die Nutzung der Kernkraft für die Zukunft nicht generell auszuschließen, sondern technologieoffen zu betrachten.

«Die Weiterentwicklung der Kernkraft kann in der Zukunft durchaus Chancen für die Energieversorgung und die Erzeugung klimaneutraler Energie bieten, diese Chancen sollten nicht von vornherein aufgeben werden», sagte die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Verena Kämmerling. Besonders die Kernfusion sei von Interesse - Deutschland dürfe dabei nicht hinterherlaufen. In der klassischen Kernkraft sehe sie kurzfristig aber keine Lösung.

Das Land setzt auf Erneuerbare Energien

Nach Angaben des Energieministeriums ist Niedersachsen Windenergieland Nr. 1 mit der größten installierten Leistung und den meisten Anlagen. Habe 2019 die Zahl der neu gebauten Windkraftanlagen bei 53 gelegen, die 174,8 Megawatt (MW) Leistung erbrachten, seien es im vergangenen Jahr 132 neu gebaute Anlagen mit einer Leistung von 635,9 MW gewesen.

Niedersachsen habe dank seiner «Task Force Energiewende» die Genehmigungsdauer für neue Windräder deutlich unter ein Jahr verkürzt. Im ersten Quartal dieses Jahres seien 504 MW Windenergie genehmigt. «Damit ist das Ziel, 1.500 MW im Jahr zu genehmigen, in Sichtweite», sagte Minister Meyer.

Kritik von der Opposition

Die CDU im Landtag kritisiert, dass es kein Gesamtkonzept beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gebe. Die «Task Force Energiewende» sei bislang weitgehend ergebnislos geblieben. «Es reicht nicht aus, einzelne Aspekte wie den Ausbau der Windenergie voranzutreiben, ohne begleitende Initiativen beim Ausbau der Netze auf den Weg zu bringen», sagte Kämmerling. Auch bei den Themen Wasserstoffwirtschaft und Ausbau der niedersächsischen Häfen als Energiedrehscheibe geschehe zu wenig.

Trotz Ausstieg ist Niedersachsen noch Atom-Land

In Lingen werden seit mehr als vier Jahrzehnten Brennelemente für Atomkraftwerke in Europa hergestellt. Die Firma Advanced Nuclear Fuels (ANF) soll in Lingen künftig auch Brennelemente für osteuropäische Atomkraftwerke sowjetischer Bauart herstellen. Das Vorhaben muss von Niedersachsen genehmigt werden. Bürgerinnen und Bürger konnten dazu Anfang des Jahres Einwendungen einreichen. Derzeit werte das Land mehr als 10.000 Stellungnahmen aus. Anschließend soll ein Erörterungstermin in Lingen angesetzt werden. Ein Termin stehe dafür noch nicht fest, hieß es aus dem Energieministerium.
dpa/lni
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Kommentare 
Till Eugenspiegel schrieb am 15.04.2024 08:50 Uhrzustimmen(0) widersprechen(9)
Vorsichtig formuliert, aber vollkommen von Unkenntnis der Materie geprägt:

Zitat
Er habe nach wie vor kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung in einer Mangelsituation die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet hat,
sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, Volker Müller.
Die Energieversorgung sei wegen des Atomausstiegs aus seiner Sicht zwar nicht unsicherer geworden,
aber doch teurer. -
Zitat Ende

Die zuletzt drei noch laufenden Reaktoren im Streckbetrieb lieferten lediglich sechs Prozent
des deutschen Strombedarfs.

Erneuerbare Energien hatten im Jahr 2022 einen Anteil von 49,6 Prozent (Netto) im Strommix und sind somit die wichtigsten Stromlieferanten in Deutschland.

Vor wenigen Jahren wurde diese Summe immer ohne den Hinweis das es sich nur um die VORBEREITUNGSKOSTEN handelt publiziert.

" Gegenwärtig schätzen die Beteiligten die Kosten für die
Vorbereitung
bis 2033 auf rund 4,7 Milliarden Euro
der Rückholung
...
Kosten der Rückholung:
Sie lassen sich erst abschätzen,
„wenn die Planung der Rückholung detailliert ist und die Stilllegungsmaßnahmen bekannt sind“. [19]

Endlagerung:
"Unterstellt man die Kosten von rund 25.000 € pro m3 Abfallgebindevolumen für das Endlager Konrad (Preisstand 2014) und ein endzulagerndes Abfallvolumen von ca. 200.000 m3,
errechnen sich die Kosten für
die Endlagerung der aus der Schachtanlage Asse II
rückgeholten Abfälle in der Größenordnung von 5 Mrd. €." [32]

Alle Kosten sind aus Steuermitteln zu begleichen.

Das sind dann, nur für die ASSE,
so ungefähr 20 Milliarden Euro Kosten.
Oder doch eher 30 +
https://www.atommuellreport.de/daten/detail/asse-ii.html
maximilian schrieb am 14.04.2024 18:26 Uhrzustimmen(0) widersprechen(10)
Klingt vordergründig sinnvoll. Aber es darf dabei nicht übersehen werden, dass wie bei Kernfusionsreaktoren noch viele Jahrzehnte vergehen werden, daraus den Energiebedarf des Landes decken zu können.
Vergessen wird dabei, dass wir mit den erneuerbaren Energien einen gewaltigen Wasserstofffusionsreaktor nutzen, der die benötigte Energie kostenlos liefert, ohne dass gefährlicher, strahlender Atommüll für die folgenden Generationen zurückbleibt. Nur die Anlagen zur Nutzbarmachung
der Sonnenenergie in Form von Wind und Sonnenstrahlen müssen wir bezahlen. Eine Solaranlage kann jeder für sich installieren, unabhängig von einem Versorger.
Ackerbauer schrieb am 14.04.2024 14:18 Uhrzustimmen(8) widersprechen(10)
Daß diese Regierung eine positive Bilanz zieht ist nicht verwunderlich und ist auf keinen Fall ein Indiz dafür, daß die Entscheidungen der letzten Jahre lückenlos die richtigen waren. Dieses zeigt allein schon ein Blick auf die Versorgungssicherheit wenn man ihn auf die gesamte Primärenergie des Landes bezieht. Hier als großes Industrieland weitgehend vom Gutdünken des Auslandes abhängig zu sein und trotzdem von sicherer Energieversorgung zu sprechen, ist mehr als fragwürdig.
Die Weiterentwicklung der Kernfusion ist zwar grundsätzlich richtig und wichtig, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß noch viele Jahrzehnte vergehen werden, daraus den Energiebedarf des Landes decken zu können. Diese offensichtliche Versorgungslücke können erneuerbare Energien in Deutschland mit Sicherheit nicht schließen.
Hier wäre viel eher die forcierte Weiterentwicklung von Kernreaktoren der vierten und fünften Generation eine Lösungsmöglichkeit, die zugleich auch dafür sorgen könnte, anstatt "unseren Kindern und Kindeskindern in Lingen einen riesengroßen Berg gefährlichen, giftigen, strahlenden Materials" zu hinterlassen, eine Technik zu besitzen, die die restlichen 95% Energieinhalt der "abgebrannten" Brennelemente nutzen und damit für mehrere Jahrhunderte den Energiebedarf des Landes decken könnte.
Solche Denkansätze scheinen aber für unsere ideologisch gesteuerten Regierungen viel zu pragmatisch zu sein.
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