Diese Aktion könnte kaum ein schlechteres Timing haben als in diesen Tagen, denn der feuchte Sommer zeige aktuell, dass Landwirte - bio wie konventionell - nicht ohne wirksame Pflanzenschutzmittel auskämen, stellte der
IVA am Mittwoch (25.8.) in Frankfurt fest.
Während sich das Bündnis, dem auch Anbauverbände aus der ökologischen Landwirtschaft angehörten, bei Bundestagskandidaten für einen Ausstieg aus dem chemischen Pflanzenschutz stark machten, kämpften Landwirte,
Winzer und
Obstbauern derzeit angesichts des ungewöhnlich feuchten Sommers um ihre Ernten. In Kulturen wie Kartoffeln oder Wein könnten in dieser Lage nur Spritzbehandlungen mit Fungiziden gegen den Pilzbefall helfen, egal ob im ökologischen oder konventionellen Anbau.
„Aktuell erinnert vieles an die Situation, die wir schon im Jahr 2016 hatten, als ein feuchter Frühsommer einen hohen Pilzdruck verursachte“, erklärte IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer. Die Aufwandmengen für
Kupfer seien damals heraufgesetzt worden, um den Biobetrieben überhaupt eine Möglichkeit zu geben, ihre Ernten vor dem Totalausfall zu schützen.
„Was schon vergessen ist: Damals forderten die Anbauverbände nicht weniger, sondern mehr Pflanzenschutzmittel auch im Ökolandbau“, so Gemmer. Nach seiner Ansicht gibt es in Deutschland aufgrund der sehr strengen Zulassungsregeln nicht zu viele, sondern zu wenig unterschiedliche Pflanzenschutzmittel. In diesem Punkt gehe die Kampagne komplett an der landwirtschaftlichen Praxis vorbei.
Pflanzenschutz sichert Ernteerträge
Gemmer wies darauf hin, dass
Schädlinge,
Pflanzenkrankheiten und
Unkräuter weltweit rund ein Drittel der möglichen Ernteerträge vernichteten. Diese Verluste ließen sich nur durch einen effektiven Pflanzenschutz wirksam eingrenzen. Ohne entsprechende Instrumente müsste Deutschland beispielsweise bei der
Weizenernte jährliche Verluste verkraften, die dem Bedarf von 180 Millionen Menschen entsprächen.
Dank moderner
Betriebsmittel könne die produktive Landwirtschaft auf der vorhandenen
Ackerfläche hohe Erträge erzielen, hob der Geschäftsführer hervor. Sie benötige beispielsweise für den Anbau derselben Menge Weizen nur halb so viel Fläche wie der Ökolandbau. Diese effiziente
Flächennutzung tue auch dem Klima gut, weil die Umwidmung von Naturflächen in
Ackerland weltweit für 20 % der
Treibhausgase verantwortlich sei und damit als der wichtigste Emissionstreiber überhaupt gelte.
Ein weiterer Vorteil der hohen Produktivität seien erschwingliche
Nahrungsmittelpreise, betonte Gemmer. Zudem würden moderne Pflanzenschutzmittel dabei helfen,
Lebensmittel vor gefährlichen Kontaminationen zu schützen.
Zulassungsverfahren ändern
In einem offenen Brief an Bundestagskandidaten von CDU/CSU,
SPD, Grüne, FDP und Linke hatten am Dienstag (24.8.) mehr als 100 Biounternehmen, Umweltorganisationen, Wasserwirtschaftsverbände und Wissenschaftler eine Pestizid-Abgabe sowie ein jährliches Pestizid-Monitoring ab 2022 gefordert.
„Setzen Sie sich in der kommenden Legislaturperiode ein für eine Beschlussfassung auf nationaler und EU-Ebene zum schrittweisen Ausstieg aus der Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden bis zum Jahr 2035 sowie für ein Verbot der für Gesundheit und Umwelt besorgniserregendsten Pestizide in den nächsten fünf Jahren”, heißt es in dem Aufruf zu der Kampagne.
Zu den Unterzeichnern gehören neben dem Initiator, dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, unter anderem der ökologische
Anbauverband Demeter, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Umweltinstitut München. Um Mensch und Natur besser vor dem Pestizideinsatz in der Landwirtschaft zu schützen, müssten sich die künftigen Bundestagsabgeordneten für eine Reform des Pflanzenschutzmittel-Zulassungsverfahrens auf EU-Ebene einsetzen, fordern die Unterzeichner. Dabei müssten der Ferntransport von Pflanzenschutzmitteln durch die
Luft sowie die Kombinationswirkung mehrerer Pestizide in der Natur und im menschlichen Körper künftig stärker berücksichtigt werden.
Ökolandbau ausbauen
Gleichlautende Forderungen kamen unterdessen vom Ökoanbauverband Bioland, der mit Blick auf die anstehende
Bundestagswahl seine Forderung nach einer Wende in der Pflanzenschutzmittel-Politik bekräftigte. Von den zukünftigen Regierungsparteien verlangt
Bioland Rahmenbedingungen, die zu einer deutlichen Verringerung des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln führen. Laut einer Studie sei beispielsweise eine Pestizidabgabe dazu ein wirksames Mittel, erklärte der Verband in Mainz.
Auch der
Ausbau des Ökolandbaus schütze Umwelt und Arten vor den chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Gerald Wehde, Leiter
Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland, wies darauf hin, dass der Schutz von Umwelt und
Grundwasser, das
Artensterben und der Biodiversitätsverlust in der Agrarlandschaft Schlagworte seien, die man im Wahlkampf von allen Seiten höre. „Doch Worten müssen nun Taten folgen“, so Wehde. Die
EU-Kommission wolle mit ihrem Green Deal den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um die Hälfte verringern.
In Deutschland sei dies nur mit dem forcierten Ausbau des Ökolandbaus und einer Pestizidabgabe zu schaffen, die ein zentraler Baustein der Reduktionsstrategie werden müsse.