Wie aus dem vom Bund Ökologische
Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) am Dienstag (15.2.) im Rahmen einer Online-Pressekonferenz der Biofach vorgelegten Branchenreport 2022 (Dokumentation) hervorgeht, wurde die ökologisch bewirtschaftete Fläche gegenüber 2020 bundesweit insgesamt um 81.762 ha oder 4,8 % auf 1,78 Mio. ha ausgeweitet.
Damit wurden 10,8 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) ökologisch bewirtschaftet. Der Anteil der verbandsgebundenen Fläche belief sich dabei auf 1,14 Mio. ha; das entsprach einem Anstieg um 5,4 % im Vergleich zum Vorjahr. Nur leicht legte hingegen die Anzahl der Biobetriebe zu, und zwar um 0,9 % auf 35.716 Höfe. Im Berichtsjahr setzten damit 13,8 % aller landwirtschaftlichen
Betriebe in Deutschland auf Bio.
Im Jahr 2020 hatten die Verkaufserlöse der Ökolandwirte laut Branchenreport um 12 % auf 2,86 Mrd. Euro zugenommen. Dabei lag die Milch unter allen Produktgruppen mit einem Erlös von 605 Mio. Euro klar vorn. Ökogemüse und
Biogetreide folgten mit 372 Mio. Euro beziehungsweise 369 Mio. Euro fast gleichauf.
Bezüglich der Ökomarktentwicklung ist dem Branchenreport außerdem zu entnehmen, dass die Bundesbürger 2021 für
Biolebensmittel und -getränke insgesamt 15,87 Mrd. Euro ausgaben; das waren 5,8 % mehr als im Jahr zuvor. Das
Umsatzwachstum resultierte dabei zu 1 % bis 2 % aus Preissteigerungen und zu 4 % bis 5 % aus größeren Verkaufsmengen.
LEH als „treibende Kraft“Als „treibende Kraft“ verbuchte dem Branchenreport zufolge der
Lebensmitteleinzelhandel (LEH) eine Zunahme des Umsatzes mit Ökolebensmitteln und -getränken von 9,1 % auf 9,88 Mrd. Euro. Der LEH-Anteil am
Biomarkt erhöhte sich damit auf 62,3 %. Vollsortimenter und
Discounter trugen in ähnlichem Maße zur
Marktentwicklung bei.
Die sonstigen Einkaufsstätten, zu denen
Hofläden, der Online-Handel einschließlich Lieferdiensten, Wochenmärkte, Bäckereien, Metzgereien und Reformhäusern gehören, konnten mit 2,41 Mrd. Euro insgesamt 7,4 % mehr umsetzen als 2020; ihr Marktanteil belief sich auf 15,2 %.
Als „anhaltend hoch“ haben sich Online-Verkäufe von Biolebensmitteln erwiesen, womit sich die geänderten Einkaufsgewohnheiten zu etablieren scheinen. Dagegen verzeichnete der Naturkostfachhandel einen Rückgang seiner Umsätze um 3,3 % auf 3,58 Mrd. Euro; sein Marktanteil nahm auf 22,6 % ab.
Weiter fortgesetzt hat sich laut dem Branchenreport das sogenannte „One-Stop-Shopping“, bei dem Kunden möglichst viele Waren in einem gut erreichbaren Geschäft in Wohnortnähe kaufen. Davon hätten die Vollsortimenter des
LEH profitiert, die über eine größere Auswahl an Bioprodukten verfügten. Biosupermärkte mit einem umfänglichen Warenangebot hätten von dieser während der Pandemie entstandenen Gewohnheit ebenfalls einen Vorteil gehabt.
Hiesiges Biorotfleisch zu knappBesonders gefragt waren laut dem Branchenreport im vergangenen Jahr bei den Kunden biologisch erzeugte Milchalternativen und Biobutter. Das galt auch für Ökofleisch, wenngleich von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend. So belief sich der Biomengenanteil am Gesamtmarkt 2021 bei Pflanzendrinks auf mehr als 60 % und bei Fleischalternativen auf 27 %.
Die Nachfrage nach ökologisch erzeugtem Fleisch habe bei allen Produktgruppen „bei weitem“ das Angebot überschritten, heißt es in dem Bericht. Im vergangenen Jahr wurde fast 20 % mehr ökologisches Rotfleisch und 10 % mehr Biogeflügel von den Kunden nachgefragt als 2020. Pflanzendrinks legten um 31 % zu. Da die Nachfrage höher als das Angebot aus deutscher Herkunft war, musste im Berichtszeitraum Biorotfleisch aus Nachbarländern importiert werden.
Fleischärmere Ernährung„Bio“ spielt laut dem Branchenreport insbesondere für junge Menschen eine bedeutende Rolle. Gemäß einer Analyse der Agrarmarkt-Informations-GmbH (AMI) unter Verwendung des Haushaltspanels der Gesellschaft für Konsumforschung (
GfK) waren junge Paare oder Singles, die etwa 13 % der privaten Haushalte ausmachen, für 40 % des Umsatzes mit Biofleischersatz sowie für 32 % der Erlöse aus Biopflanzendrinks verantwortlich. Nach Einschätzung des
BÖLW dürfte sich der Trend zu einer fleischärmeren Ernährungsweise in der Bevölkerung daher auch langfristig fortsetzen.
Liechtenstein mit höchstem ÖkoanteilAuch auf europäischer Ebene ist der Biomarkt gewachsen. Wie hierzu aus Zahlen des Forschungsinstituts für biologischen
Landbau (
FiBL) und der
AMI für das Jahr 2020 hervorgeht, wurden im Berichtsjahr in Europa rund 17,1 Mio. ha ökologisch bewirtschaftet, wovon 14,9 Mio. ha auf die EU-27 entfielen. Zum „neuen Spitzenreiter“ wurde Frankreich mit fast 2,5 Mio ha Ökofläche, gefolgt von Spanien mit 2,4 Mio. ha und Italien mit 2,1 Mio. ha.
Die EU-Bioanbaufläche wurde von den Landwirten im Berichtsjahr um gut 0,7 Mio. ha oder 5,3 % ausgeweitet. Sie hatte 2020 in Europa einen Anteil von 3,4 % an der LF und in der EU von 9,2 %. In Europa und auch weltweit wies Liechtenstein mit 41,6 % den mit Abstand größten Bioflächenanteil auf, gefolgt von Österreich mit 26,5 %, was zugleich EU-weit der höchste Wert war.
Der europäische Biolebensmittelmarkt verzeichnete laut dem Branchenreport 2020 einen Umsatzzuwachs um 15,7 % auf den Rekord von 52,1 Mrd. Euro. Im Mittel gaben die Europäer im Berichtsjahr 65 Euro für
Bioprodukte aus; in der EU waren es 101 Euro. Mit 418 Euro fielen die Ausgaben der Schweizer für ökologische Produkte am höchsten aus, gefolgt von den Dänen mit 384 Euro und den Luxemburgern mit 254 Euro. Die Österreicher kauften im
Schnitt für 254 Euro Bioprodukte, die Bundesbürger für 180 Euro.
Bioanteil in den USA bei 6 ProzentWeltweit gesehen blieben laut dem Branchenreport die Vereinigten Staaten und Europa die größten Biomärkte. Demnach verbuchte der US-Biomarkt im Jahr 2020 ein
Umsatzplus von 12,8 % auf umgerechnet 49,46 Mrd. Euro. Der Ökoanteil am gesamten Lebensmittelmarkt belief sich dort auf 6,0 %. Im Schnitt gaben die US-Amerikaner im vorvergangenen Kalenderjahr umgerechnet 148 Euro für Bioprodukte aus. Insgesamt entfielen dabei dort 15 % der Käufe auf Bioobst und -gemüse.
Kein Alleinstellungsmerkmal mehrDerweil stellte der Kommunikationsexperte Klaus Braun von der gleichnamigen Kommunikationsberatung zum
Umsatzrückgang des Naturkostfachhandels in Deutschland fest, dass dieser sein Alleinstellungsmerkmal als Bioverkäufer verloren habe. Immer mehr Marktteilnehmer sähen Bioprodukte nicht mehr als Trend, sondern als „Teil der Normalität“ und böten diese an. Ökowaren im Discounter würden immer beliebter.
Damit kommen nach Brauns Worten auf den eher traditionell geprägten Naturkostfachhandel neue Herausforderungen hinsichtlich Werbung und Marketing zu. Digitales Marketing sei für viele in der Branche aber nach wie vor ein fremdes Feld. Die Grundlage für Umsätze sei vorhanden, diese ergäben sich aber nicht mehr von selbst.
Der Kommunikationsfachmann rät dazu, die Geschäftsmodelle zu überprüfen und zu klären, welche neuen Alleinstellungsmerkmale der Naturkostfachhandel entwickeln könne. Laut Braun entfallen von den mittleren Pro-Kopf-Ausgaben der Bundesbürger von 180 Euro für Bioprodukte noch 43 Euro auf den Naturkostfachhandel. Insgesamt sei der Anteil des Naturkostfachhandels über die Jahre deutlich geringer geworden, und der Discounter habe diesen überflügelt.