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22.03.2022 | 00:04 | Lebensmittel- und Energieversorgung 
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Strom oder Essen vom Acker? Wie viel Spielraum besteht?

Stuttgart - Der Krieg in der Ukraine zwingt das Land nach Ansicht von Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) dazu, wichtige Agrarflächen zur Produktion von Nahrungsmitteln zu nutzen und für den Ökostrom auszuschließen.

Nutzung von Agrarflächen
Auf Feldern oder Äckern könnte Strom produziert, es könnten dort aber auch Nahrungsmittel angebaut werden. Nicht nur durch den Krieg in der Ukraine wird beides knapp. Was ist wichtiger? Oder geht vielleicht sogar beides zugleich? (c) proplanta
«Ich bin sehr für die erneuerbaren Energien, aber wir dürfen nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Krieges die Produktion von Nahrungsmitteln nicht aus den Augen verlieren», sagte Hauk der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Gute Ackerbaustandorte müssten unbedingt von einer Umnutzung ausgeschlossen werden. «Für diese Standorte werde ich kämpfen.»

Im Gespräch mit den «Stuttgarter Nachrichten» (Montag) war der Minister zuvor sogar noch einen Schritt weiter gegangen: Durch den Krieg zeige sich, dass gut gefüllte Lebensmittelregale keine Selbstverständlichkeit seien. Und weiter: «Um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten und den Anstieg der Lebensmittelpreise zu mildern, sollten wir den Einsatz von Ackerflächen für die Energieerzeugung deutlich reduzieren.»

Mitte Februar und damit vor Kriegsausbruch hatten sich die von Grünen-Politikern geführten Ministerien für Wirtschaft und Klimaschutz, Umwelt und Agrar auf ein gemeinsames Eckpunktepapier geeinigt. Mit deutlich mehr Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen soll demnach der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden.

Experten befürchten aber, dass die Lebensmittelexporte aus der Ukraine und Russland durch den Krieg stark zurückgehen könnten. Beide Länder zusammen stehen für rund ein Drittel der Weizenproduktion für den Weltmarkt.

Hauks grüne Koalitionspartnerin aus dem benachbarten Umweltministerium, Thekla Walker, warnte vor Schnellschüssen und «kurzfristigem Aktionismus». «Warum Landwirtschaftsminister Peter Hauk Freiflächen-PV eindämmen und damit Abstriche bei Energieversorgung und Klimaschutz machen will, erschließt sich mir nicht», sagte sie der dpa. «Beides muss sein, beides ist möglich.» Bei der Planung von Solaranlagen müssten die Belange der Landwirtschaft berücksichtigt und überwiegend Flächen belegt werden, die für die Produktion weniger bedeutend seien.

Walker betonte zudem, die Flächen für die Photovoltaik ständen in keinem Verhältnis zu den Lebensmittelverlusten. Nach Schätzungen entspreche etwa die Menge an verschwendetem Weizen allein in der Europäischen Union in etwa der Hälfte der Weizenexporte der Ukraine. Auch eine gesündere Ernährung mit weniger tierischen Erzeugnissen helfe ebenfalls, die für Tierfutter benötigte Getreidemenge zu verringern.

Einig sind sich Hauk und auch Walker unter anderem darin, dass es noch viel ungenutztes Potenzial gibt - zum Beispiel bei der gemeinsamen Nutzung von Flächen für Strom und Nahrung. «Wir brauchen diese hybriden Form und wir brauchen sie stärker als bislang», sagte Hauk. Besondere Möglichkeiten gebe es beim Obst- und Beerenanbau. Ausbauen könne man aber auch beim Biogas aus Reststoffen, bevor man landwirtschaftliche Flächen nutze. «Da gibt es ein Riesenzuwachspotenzial.»

Das Umweltministerium verweist auf die Vorteile bei einer kombinierten Nutzung der Fläche. Zum Schutz vor Regen, Hagel oder Sonne würden Kulturen zum Beispiel mit Folien oder Netzen bedeckt.

«Im Idealfall kann eine Photovoltaikanlage diesen Schutz ersetzen oder zumindest kann die Aufständerung gemeinsam genutzt werden», heißt es in einer Antwort des Ressorts auf eine Anfrage der Landtags-FDP. Dadurch könnten sich auch Mikroklima und Wasserhaushalt verbessern, überdies gäbe es weniger Schädlinge.

Auch der baden-württembergische Landesbauernverband sieht Spielraum unter anderem in dieser sogenannten Agri-Photovoltaik und auch in anderen Bereichen: «Das eine geht und das andere nicht? Das ist mir zu kurz gesprungen», sagte Hauptgeschäftsführer Marco Eberle der dpa.

Es sei wichtig, Prioritäten zu setzen. Sonnenenergie könne zum Beispiel auch auf Dächern, Konversionsflächen und an Straßenrändern oder an Lärmschutzwänden gesammelt werden. «Es gibt Stellschrauben, die wir nutzen sollten, bevor wir auch die Flächen der Landwirte zurückgreifen.»

Für seine Aussagen muss der Agrarminister allerdings die deftige Kritik der Naturschützer aushalten. «Ich finde es unsäglich, wie von Teilen der Landwirtschaft der Krieg in der Ukraine instrumentalisiert wird, um in der Landwirtschaftspolitik die Rolle rückwärts zu vollziehen», sagte der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Johannes Enssle.

«Wenn es jenen, die mehr Fläche für die Lebensmittelproduktion fordern, wirklich um Flächeneffizienz und Ernährungssicherheit ginge, müssten sie jetzt den Ersatz von Biogasanlagen durch Solaranlagen und mehr Gemüse statt Fleisch auf dem Teller propagieren.»

Denn auf 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland würden Futtermittel für die Fleischproduktion angebaut, auf weiteren rund zehn Prozent Biokraftstoffe, rechnete Enssle vor. «Beides - sowohl die Futtermittelproduktion als auch die Herstellung von Biokraftstoffen - sind extrem ineffizient.»

Das sieht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ähnlich. Sehr viel Fläche werde nicht für die direkte menschliche Ernährung verwendet, sondern diene dem Anbau von Futtermitteln, sagte die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch. «Wenn wir endlich dazu kommen, weniger Fleisch produzieren zu wollen und mehr direkte Lebensmittel, gibt es den von Bauernverbänden und Minister Hauk aufgemachten Konflikt nicht», sagte die BUND-Chefin. «Aber das hören wir leider aus dem Landwirtschaftsbereich nie.»
dpa/lsw)
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Kommentare 
Cosmo schrieb am 27.03.2022 10:20 Uhrzustimmen(1) widersprechen(1)
Wenn es um die Diskussion Nahrungsmittel oder Energie vom Acker geht möchte ich folgendes beitragen und dem Komentar von "agricola pro agricolas" widersprechen. Gerade bei der Biogaserzeugung entsteht ein sehr hoher Flächenverbrauch. Alleine in Bayern sind das etwa
ca. 200000 ha! Diese enorme Fläche wird alleine für die Energieerzeugung durch Biogas benötigt. Man kann sich leicht vorstellen, wieviele Nahrungsmittel man mit dieser Fläche produzieren könnte. Im übrigen sind lt. Fraunhofer Institut die Stromgestehungskosten bei Biogas am höchsten. Am besten schneiden hier die Freiflächenphotovoltaikanlagen gefolgt von Windenergie ab.
Ausserdem entstehen bei der Biogaserzeugung hohe Wärmeverluste.
Ein großer Teil der Biogasbetreiber kann die erzeugte Wärmeenergie nicht nutzen und muß diese nutzlos in die Umgebung abgeben! Ganz zu schweigen von den in vielen Gegenden für alle Menschen sichtbaren Monokulturen die durch den Maisanbau entstehen. Auch das fördert den Artenschwund enorm. Viele wissen nicht dass in den vergangenen Jahren sogenannte "Zündstrahl Verbrennungsmotoren" eingesetzt wurden, die für den Betrieb einen gewissen Anteil an Heizöl benötigten. Um die Maispflanze zu erzeugen muß erst eine große Menge an fossiler Energie eingesetzt werden. Was bitteschön ist da noch Bio? Auch stellt sich für mich die Frage, was die Biogasbranche in 5-10 Jahren macht, wenn von der Industrie keine Verbrennungsmotoren mehr entwickelt und gebaut werden? Den aus meiner Sicht großen Vorteil hat Biogas durch die konstante Energiebereitstellung gegenüber den Netzbetreibern.
Fazit: Für mich hat Biogas keine Zukunft! Wenn es um die Nahrungsmittelproduktion geht, sollte man vor allem den Flächenverbrauch durch diese Art der Energieerzeugung reduzieren!
Meat-Tech schrieb am 23.03.2022 09:21 Uhrzustimmen(9) widersprechen(1)
Warum regen sich alle darüber auf, daß Getreide zu Futtermittelzwecken benutzt wird? Damit werden Nahrungsmittel produziert.
Demgegenüber wird z.B. über 80% der produzierten Weizenstärken für technische Zwecke benutzt. Jeder der ein Stück Papier oder Karton in die Hand nimmt, hat damit auch wertvolle Weizenstärke in Händen. Sarkastisch gesagt, jedes Schild unserer sogenannten Klimaaktivisten von FFF. Jeder der zum Grillen die so beliebten Briketts benutzt verbrennt Stärke oder Melasse, die als Klebemittel eingesetzt wird. Die Liste kann noch viel weiter geführt werden.
Verzichten wir doch lieber darauf und lassen unser Schnitzel weiterhin auf dem Teller.
agricola pro agricolas schrieb am 22.03.2022 07:24 Uhrzustimmen(18) widersprechen(6)
Das eine schließt das andere doch nicht aus, werter Herr Agrarminister Hauk!!!

Nichts brauchen wir vordringlicher heute als unser Bauern-Gas, grünen Wasserstoff von unseren Äckern etc.pp.!!! - Der blanke Wahnsinn, gerade von unserem grünen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Herrn Dr. Robert Habeck, dieser Tage den Kotau vor dem nächsten Diktator, welcher tagtäglich die Menschenrechte förmlichst mit Füßen tritt, in unserer Presse wahrnehmen zu müssen. - Wer wird hier in der grandiosen Not durch wen ausgetauscht!? Neue fatale Abhängigkeiten. Und dennoch hat Dr. Habeck im Hier und Jetzt korrekt gehandelt, schließlich beherzt politische Verantwortung gezeigt in dieser ihm auferzwungenen Zeitenwende - ich beneide ihn darum jedenfalls nicht.

Nun, Energie ist heute für die Menschen eben genauso essentiell wie die tägliche Nahrung auch. Insofern kommt dieser Thematik eine besondere Bedeutung zu, verpflichtet jetzt unsere geistige Elite, vorausschauend wohlüberlegt zu handeln und auch dementsprechend medial verantwortungsbewusst zu kommunizieren.

Genau deshalb erachte ich unsere Bauern-Energie vom Acker und auch das Bauern-Gas heute als wichtiger denn je.

Wo definitiv sofort nachjustiert werden muss ist bei GREAN DEAL und bei FARM TO FOLK, hier verbarrikadiert man sich in einem nur noch weltfremden Wolkenkuckucksheim, geistig verstrickt in ausschließlichen, wohl für lange Zeit der Vergangenheit angehördenden elitären Wohlstands-Phantasien, die spätestens nach dem Aufwachen am 24.02.2022 in einer ganz anderen Welt in dieser Form überhaupt nicht mehr tragbar sein können, will man sich wissentlich und wollentlich infolge unterlassener Hilfeleistung selbst nicht eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit strafbar machen. Nach meinem Dafürhalten käme das jetzt einer förmlichen Kriegserklärung gegenüber unserer freiheitlich demokratischen Werteordnung in einem glücklicherweise geeinten Europa gleich.

Handeln Sie, werter Herr Agrarminister Hauk, handeln Sie und Ihresgleichen, bitte aber korrekt!!!
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