Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
17.10.2021 | 13:31 | Tierarzneimittel 

Etwas mehr Antibiotika in der Tiermedizin 2020 eingesetzt

Braunschweig - Die Menge der in Deutschland von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärzte abgegebenen Antibiotika ist im vergangenen Jahr erstmals seit Beginn der Meldepflicht 2011 gestiegen.

Antibiotika-Einsatz
Erstmals seit Meldebeginn 2011 haben die an Tierärzte abgegebenen Antibiotikamengen vergangenes Jahr zugenommen - Laut BVL stiegen sie um 4,6 Prozent - Längerfristig aber ein Rückgang um fast 60 Prozent - QS meldet hingegen für 2020 in seinem System ein erneutes Sinken des Antibiotikaeinsatzes im Nutztierbereich - ISN will langfristigen Rückgang gewürdigt wissen - Häusling bekräftigt Einsatzverbote von Reserveantibiotika in der „Massentierhaltung“. (c) llandrea - fotolia.com
Wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am Dienstag (12.10.) mitteilte, nahm die betreffende Menge im Vergleich zum Vorjahr um 31 t oder 4,6 % auf insgesamt 701 t zu. Innerhalb der vergangenen neun Jahre hat sich die Abgabe allerdings um 1.005 t beziehungsweise 58,9 % verringert.

Die Hauptabgabemengen verzeichnete das BVL - wie in den Vorjahren - für Penicilline mit rund 278 t und Tetrazykline mit 148 t, gefolgt von Sulfonamide mit 65 t, Makrolide mit 61 t und Polypeptidantibiotika mit 60 t.

Das Bundesamt wies darauf hin, dass die Abgabemengen von Fluorchinolonen um 400 kg auf 6,4 t und bei Makroliden um 4 t auf 61 t gegenüber dem Vorjahr zugenommen hätten. Diese gehören zu den Wirkstoffen, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen eingestuft sind. Dies gilt auch für die im Vergleich zum Vorjahr unveränderten Mengen von Cephalosporinen der dritten und vierten Generation mit 1,3 t sowie der um 6 t auf 60 t gesunkenen Abgabe an Polypeptidantibiotika beziehungsweise Colistin.

Im langfristigen Vergleich mit 2011 sind laut BVL die Abgabemengen der Reserveantibiotika jedoch deutlich rückläufig gewesen, bei Fluorchinolonen um 22 %, bei Polypeptidantibiotika um 53 %, bei den Cephalosporinen der dritten und vierten Generation um 63 % sowie bei Makroliden um 65 %. Das Bundesamt erläuterte, dass Tierarzneimittel wie Antibiotika eingesetzt würden, um kranke Tiere zu behandeln, allerdings stelle die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Human- und Veterinärmedizin eine globale Bedrohung dar.

Weniger Antibiotikaeinsatz bei QS



Die QS Qualität und Sicherheit GmbH teilte unterdessen am Donnerstag (14.10.)mit, dass im Gegensatz zu den BVL-Daten die Antibiotikaabgaben bei ihren Nutztierhaltern 2020 erneut abgenommen haben. Die Betriebe im QS-System hätten die Verwendung dieser Medikamente im Vergleich zu 2019 um 0,49 % verringert; zudem sei der Einsatz kritischer Antibiotika um 11,2 % gesunken.

Laut QS machten die Reserveantibiotika dabei nur einen kleinen Anteil der Gesamtmenge aus, nämlich 0,83 %. Dazu gehören auch die Flourchinolone, deren Abgabe 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 12,9 % verringert wurde. Die QS-Antibiotikadatenbank informiert Tierärzte und landwirtschaftliche Betriebe regelmäßig mit Auswertungstools für einzelne Tier- und Produktionsarten und unterstützt sie dabei, frühzeitig Handlungspotential zu erkennen und die Behandlungsstrategie zu optimieren beziehungsweise den Einsatz von Wirkstoffen zu verringern.

Laut QS zeigen die Ergebnisse, dass die aus dem Antibiotikamonitoring abgeleitete Optimierungsstrategie greift. Nach Angaben der BVL lassen sich ihre Abgabemengen aus dem zentralen Register des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) dagegen nicht einzelnen Tierarten zuordnen. Dies werde erst in Zukunft im Rahmen der Umsetzung der EU-Tierarzneimittelverordnung möglich werden. Zudem sind in den BVL-Daten auch Antibiotika für Haus- und Kleintiere sowie Pferde enthalten, so dass beide Statistiken nicht eins zu eins zu vergleichen sind.

Langfristigen Rückgang würdigen



Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) hob hervor, dass die Menge der in Deutschland an Tierärzte abgegebenen Antibiotika seit Beginn der Meldepflicht um fast 60 % spürbar zurückgegangen sei.

Der vom BVL gemeldete leichte Anstieg für 2020 gehe nicht auf die Schweinehaltung zurück, wo der Antibiotikaeinsatz zuletzt erneut weiter habe reduziert werden können. Hinter den deutlichen Reduzierungen stünden sehr komplexe Hygiene- und Tiergesundheitskonzepte. „Diese Leistung, die Tierhalter zusammen mit ihren Hoftierärzten erreicht haben, muss endlich auch einmal gewürdigt werden“, betonte die ISN. Allerdings werde die Luft für eine weitere Minimierung zunehmend dünner, was zu Lasten des Tierschutzes gehen könnte. Das sei jedoch nicht akzeptabel.

Der Agrarsprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, monierte mit Blick auf die BVL-Daten, dass die aktuelle Entwicklung der Abgabemengen „das Gegenteil von dem sei, was wir erreichen müssen“. Das sei ein Weckruf, zumal die Zunahme mit einer Abnahme des Tierbestandes einhergehe. Die Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung müsse eingeschränkt werden. „Insbesondere die für den Menschen lebensrettenden Reserveantibiotika müssen in der Massentierhaltung verboten werden“, bekräftigte Häusling eine Forderung der Grünen.
AgE
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Brexit-Folgen verschärfen britische Arzneimittelknappheit

 Ein Tresor für menschlichen Kot: Projekt will Darmbakterien retten

  Kommentierte Artikel

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet