Aber in den Lebensmittelregalen kommt die
Globalisierung nur mühsam voran. Bei der alltäglichen Mahlzeit schwört der Verbraucher auf Vertrautes. Vor dem Lebensmittelregal zeigt er sich geprägt von seiner regionalen Esskultur - mit manchmal kuriosen Folgen.
Die allermeisten Lebensmittel-Neuheiten halten sich kaum ein paar Monate in den Regalen, dann sind sie wieder verschwunden. Die Flop- Rate ist enorm hoch. Angesichts der geringen Chance, ein Produkt langfristig zu etablieren, ist die Industrie gezwungen, auch den Aufwand zu begrenzen: «Man kann Lebensmittel nicht so wie Autos weltweit vermarkten», sagt Sybille Kircher, Geschäftsführerin der Namensagentur Nomen in Düsseldorf. Eine Ausnahme sind die Lifestyle- Getränke: Coca-Cola, Pepsi oder Redbull gelang der globale Siegeszug.
Bei einem Lebensmittel für den deutschen Markt wird allenfalls geprüft, ob der Name auch für die Zungen türkischer Einwanderer gut aussprechbar ist. Weltweite Namens- und Assoziationstests wie etwa bei Autonamen sind beim Lebensmittel-Marketing zu teuer.
In anderen Ländern ist das genauso - mit kuriosen Ergebnissen. So werden in Frankreich und Belgien Kartoffeln der Sorte «La Ratte» vertrieben - würde ein Deutscher da zugreifen? Ausgerechnet ein Beruhigungstee findet in Spanien unter dem Namen «Stress» Absatz, die Holländer stehen auf Fruchtsäfte der Marke «DubbelFrisss». In Kroatien ist eine Limonade namens «Pipi» beliebt - die ließe sich wohl kaum in Deutschland etablieren.
Und wie die Gedanken, so werden auch auch die Gaumen der Verbraucher von ihrer Heimatregion geprägt. So haben Backwarenanbieter auf dem Zukunftsmarkt China schlechte Karten: «Das Backen ist den Chinesen unbekannt», berichtet Kircher. «Regionalität ist ein großes Thema im Lebensmittelhandel», weiß auch Uli Veigel von der Werbeagentur Grey in Düsseldorf. Es sei bei Lebensmitteln mit Glaubwürdigkeit und Frische verbunden.
Immerhin: Mit Gattungsbegriffen wie dem Frankfurter Würstchen und der Thüringer Bratwurst haben deutsche Essgewohnheiten internationale Erfolge erzielt, auch wenn sie nicht mit der italienischen Pizza mithalten können. Dafür wird die deutsche Tiefkühlpizza-Variante von Dr. Oetker in 36 Ländern verspeist.
Für Eva-Maria Kalcker vom Werbe-Riesen BBDO sind die Strategien von multinationalen Konzerne wie Unilever,
Nestlé und
Danone ein Indiz, dass die Globalisierung auch im Lebensmittelbereich fortschreitet. Aber: «Facetten wie Vertrautheit, Verlässlichkeit, Tradition und Bodenständigkeit spielen bei der Nahrung eine entscheidende Rolle».
Deshalb hätten lokale Marken bei Lebensmitteln eine größere Akzeptanz als bei anderen Produkten. Eine internationale Studie komme so auch zum Fazit, dass die multikulturelle Vielfalt in der Alltagsküche weltweit immer noch die Ausnahme ist.
Namensentwicklerin Kircher sieht aber auch Fehler bei der Vermarktung. Langweilig und austauschbar ist in ihren Augen das, was die meisten Werbeabteilungen der Lebensmittelbranche verlässt. Wieviel mutiger sei dagegen der Volksmund: Mohrenkopf, Heidesand, Nonnenfürzle, Strammer Max - keiner der Namen hätte in der Marketing- Abteilung eines Lebensmittel-Herstellers die erste Auswahlrunde passiert.
Dabei habe sich etwas mehr Mut durchaus bewährt, findet Kircher. Mit der «Götterspeise» gelang Oetker ein echter Branchen-Coup. Und dass die Binsenweisheit der Werber - Sex sells («Sex verkauft») - auch bei Lebensmitteln gilt, haben Teevermarkter aus Neuss unlängst bewiesen: Die Teesorten «heiße Liebe» und «pure Lust» waren ein voller Erfolg. (dpa)