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06.01.2011 | 00:32 | Dioxin-Skandal 

Razzia im Dioxin-Skandal - Bis zu 150.000 Tonnen Futter verseucht

Berlin - Im Skandal um Dioxin-verseuchtes Tierfutter gerät die Herstellerfirma zunehmend unter Druck.

Futter
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Geschäftsführung des Betriebes Harles und Jentzsch und ordnete eine Razzia an. Die Darstellung des Unternehmens, das Dioxin sei durch einen Fehler beigemischt worden, wird bezweifelt. Weiter unklar ist, woher das Dioxin in dem Zusatzfett für Tierfutter stammte und welche Massen an Eiern, Geflügel- und Schweinefleisch belastet sind. Nach Angaben der Bundesregierung kann das krebserregende Dioxin bis zu 150.000 Tonnen Tierfutter zugesetzt worden sein.

Zum Mengenvergleich: Ein Huhn pickt bis zu 160 Gramm pro Tag. Verbraucher meiden im Supermarkt Eier und Geflügelprodukte. Der Einzelhandel sieht noch keinen Grund für eine groß angelegte Rückrufaktion. Mehr als 1.000 landwirtschaftliche Betriebe sind inzwischen gesperrt.

Auch wenn nach ersten Erkenntnissen des Ministeriums in Berlin kein Dioxin-verseuchtes Futtermittel in die EU exportiert wurden, gingen Anfang Dezember 136.000 verdächtige Eier in die Niederlande.

Polizisten und Staatsanwälte gingen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa am Mittwoch auf das Betriebsgelände in Uetersen (Schleswig-Holstein), um Beweismittel sicherzustellen. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe führt ein Ermittlungsverfahren gegen die Leitung des Unternehmens. Es soll technische Mischfettsäuren, die für die Papierherstellung bestimmt waren, für Futtermittel verwendet haben.

Das niedersächsische Agrarministerium erhob neue Vorwürfe gegen Harles und Jentzsch. Die Firma Harles und Jentzsch habe erklärt, mit Dioxin belastete technische Fettsäuren seien versehentlich in Futterfette gelangt. «Wir glauben dieser Darstellung nicht mehr», sagte Ministeriumssprecher Gert Hahne in Hannover. «Die Darstellung, da hat einer den falschen Hahn aufgedreht, erscheint uns sehr unglaubwürdig.» Wegen der großen Menge verseuchten Fettes sei menschliches Versagen unwahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe bestätigte der dpa, dass es eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung gebe. Das betreffe auch einen Betrieb im niedersächsischen Bösel, sagte Behördensprecher Friedrich Wieduwilt. Das Werk bei Cloppenburg betreibt ein Tanklager und eine Futterfett-Rührstation für Harles und Jentzsch. Die Staatsanwaltschaft in Oldenburg kümmert sich um die Firma in Bösel (Kreis Cloppenburg). Es gebe ein Vorermittlungsverfahren, sagte Staatsanwalt Rainer du Mesnil. «Wir wollen wissen: Was ist in den Tanks, wo kommt es her und wo ging es hin?»

Bis zu 3.000 Tonnen verseuchtes Futterfett wurden nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums zwischen dem 12. November und 23. Dezember 2010 an 25 Futtermittelhersteller in acht Bundesländern geliefert. Diese Menge könnte hochgerechnet insgesamt 150.000 Tonnen Tierfutter beigemischt werden.

Die Politik reagiert auf den Skandal mit dem Ruf nach schärferen Vorschriften und höheren Strafen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) fordert zudem mehr Transparenz über den Verbleib belasteter Eier. Bisher drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, wenn Lebens- oder Futtermittel mit gesundheitsschädlichen oder verbotenen Zusätzen versehen werden.

Die Bundesregierung versucht, die Verbraucher zu beruhigen. «Wir kennen nicht die Ursache für die Dioxinkontamination», sagte der Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Berlin. Möglicherweise belastete Lebensmittel seien bereits aus dem Handel geholt worden oder zumindest lokalisiert.

Der Genuss von Eiern gefährde die Gesundheit akut nicht, betonte der Sprecher. Es wäre «völlig überzogen», auf den Genuss von Eiern und Fleisch zu verzichten. Mit den Ländern soll geprüft werden, ob es für die Hersteller Verschärfungen geben muss.

Auch der Lebensmittelhandel war bemüht, die Kunden zu beruhigen. «Eine akute Gesundheitsgefahr besteht nicht. Deswegen ziehen die Unternehmen auch nicht flächendeckend Ware aus dem Verkehr», erklärte ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE) in Berlin. Ketten wie Edeka, Tengelmann und Rewe hatten mitgeteilt, bislang nicht von dioxinverseuchten Geflügelprodukten betroffen zu sein. Der Verkauf von Hühnereiern ist schon «spürbar» gesunken, wie die landwirtschaftliche Marktberichterstattungsstelle MEG berichtete.

Verbraucherschützer raten hingegen vom Verzehr von Eiern und Geflügelfleisch ab. «Um sich keinem Risiko auszusetzen, sollte man auf den Konsum derzeit verzichten», sagte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW der dpa.

Mit Hochdruck versuchen Behörden in den Ländern, das Ausmaß der Gefahr für die Verbraucher zu klären. In Bayern werden mehr als 100.000 Eier überprüft. Ein Großteil der möglicherweise verseuchten Ware sei sichergestellt. Mehr als 20.000 Eier seien aber schon weiterverarbeitet worden.

Nordrhein-Westfalen sperrte am Dienstagabend vorsorglich 139 weitere Betriebe. Das Land veröffentlichte Kennnummern, anhand derer die Verbraucher dioxinbelastete Eier erkennen können. Sie sind jeweils auf die Schale gestempelt.

Die technische Mischfettsäure war von dem Biodieselhersteller Petrotec über den niederländischen Händler Olivet an den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch im schleswig- holsteinischen Uetersen geliefert worden.

Eine Überprüfung der Lieferscheine bei Petrotec im ostfriesischen Emden ergab zunächst keine Anhaltspunkte auf Dioxin, wie eine Sprecherin des Gewerbeaufsichtsamtes Emden sagte. Der Betrieb dürfe Mischfettsäure an die Ölindustrie liefern, nicht jedoch für die Lebensmittel- oder Futterproduktion. Nun würden die Fette auf Dioxin überprüft. Mit Ergebnisse ist frühestens in einer Woche zu rechnen. (dpa)
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