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02.05.2021 | 02:11 | Schlachtbranche 

Große Schweineschlachter werden auch in Krisenzeiten mächtiger

Damme / Bonn - Die Corona-Pandemie, die Afrikanische Schweinepest (ASP) und der Verlust von Drittlandsexporten haben 2020 der deutschen Schweinebranche arg zugesetzt.

Schweineschlachtungen
Konzentrationsgrad bei deutschen Schweineschlachtern hat im Corona-Jahr 2020 weiter zugenommen - Laut ISN-Schlachthofranking zerlegen die Top 10-Unternehmen hierzulande gut 82 Prozent aller Schweine - Trotz eines geringeren Schlachtaufkommens steigen die Marktanteile an - Mittelständische Fleischhersteller teilweise mit mehr Schweinen am Haken. (c) contrastwerkstatt - fotolia.com
Doch auch in diesem Sonderjahr der Krise setzte sich eine Entwicklung weiter fort: Immer weniger Schlachtbetriebe konkurrierten um eine abnehmende Zahl an deutschen Schlachtschweinen, wobei die größeren Unternehmen Marktanteile hinzugewinnen konnten. Dies ist das wesentliche Ergebnis des aktuellen Schlachthofrankings der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), dessen Resultate am Mittwoch (28.4.) veröffentlicht wurden.

Der ISN zufolge sind die Schweineschlachtungen in Deutschland 2020 gegenüber dem Vorjahr um 1,91 Millionen Stück oder 3,5 % auf 53,28 Millionen Tiere gesunken. Bei den Top 10 der Branche war das Schlachtaufkommen jedoch nur um 1,4 % auf 43,77 Millionen Schweine rückläufig. Deren aggregierter Marktanteil an allen Schlachtungen nahm deshalb von 80,4 % im Jahr 2019 auf zuletzt 82,2 % zu.

Mit Ausnahme von Danish Crown, die den höchsten Rückgang bei den angelieferten Tieren verzeichnete, konnten die anderen neun Großschlachter ihre Marktposition stärken; die Konzentration hat zugenommen. Tönnies als größter deutscher Fleischhersteller stand im vergangenen Jahr durch Corona-Fälle bei Mitarbeitern und Werksschließungen im Fokus der Öffentlichkeit.

Die Schweineschlachtungen des Unternehmens gingen hierzulande mit 2,4 % auf 16,30 Millionen Stück aber weniger stark zurück als im Bundesmittel; der Marktanteil wuchs gegenüber 2019 um 0,3 Prozentpunkte auf 30,6 %. Um einen Platz auf Rang zwei im Ranking verbesserte sich die Vion mit 7,60 Millionen Schweinen am Haken, was dem Vorjahresniveau entsprach.

Der Marktanteil stieg von 13,8 % auf 14,3 %. Die coronabedingten Einschränkungen bei einzelnen Schlachtstätten habe das Unternehmen offensichtlich über seine in Deutschland verteilte Schlachthofstruktur auffangen können, erläuterte die ISN.

Mittelständler halten gut mit



Die Westfleisch fiel mit einem um 3,0 % auf 7,47 Millionen gesunkenen Schlachtaufkommen auf den dritten Platz der größten Schweineschlachter in Deutschland zurück, konnte ihren Marktanteil von 14,0 % aber halten. Bei Danish Crown war das mit einem Minus von 6,6 % auf 3,10 Millionen verarbeitete Schweine nicht möglich; der Anteil sank von 6,0 % auf 5,8 %.

Auffällig war, dass die mittelständischen Betriebe unter den Top 10 im ISN-Schlachthofvergleich gleich viel oder sogar mehr Schweine im Vorjahresvergleich angeliefert bekamen und damit ihre Marktposition etwas verbessern konnten. Die auf Rang fünf liegende Müller-Gruppe konnte trotz Corona-Problemen in Birkenfeld ihr Schlachtniveau des Vorjahres von 2,10 Millionen Schweinen stabil halten.

Die Schlachtungen bei Böseler Goldschmaus nahmen um 4,5 % auf 1,85 Millionen Schweine zu; bei Tummel war ein kleines Plus von 0,6 % auf 1,55 Millionen Tiere zu verzeichnen. Den größten Sprung machte die erstmals in den Top 10 vertretende Steinemann Holding GmbH mit einem Zuwachs von 10,7 % auf 1,35 Millionen geschlachtete Schweine, was auch durch die Übernahme des EGO-Schlachthofs möglich wurde. Zudem konnte die Willms-Gruppe ihre Schlachtaktivitäten gegenüber 2019 um 2,3 % auf 1,34 Millionen Schweine steigern. Bei Simon-Fleisch blieb das Schlachtaufkommen trotz des bundesweiten Negativtrends mit 1,11 Millionen Tieren stabil.

Mehr Lieferverträge



Der ohnehin schon deutliche Bestandsabbau in der deutschen Schweinehaltung ist dem ISN-Marktanalysten Klaus Kessing zufolge durch Corona und ASP stark beschleunigt worden. „Für die Schlachtunternehmen wird der Rohstoff Schwein in Deutschland damit zukünftig knapper, was auch zukünftig zu Strukturveränderungen in der Schlachtbranche führen dürfte“, so der Experte.

Weitere Schließungen vor allem kleinerer und mittelgroßer Schlachtstandorte sowie weitere Übernahmen oder Zusammenschlüsse könnten die Folge sein, womit die Konzentration weiter zunähme. Möglich sei auch, dass ausländische Investoren aktiv würden. Eine weitere Entwicklung ist laut Kessing, dass viele Schlachtbetriebe in Zeiten des beschleunigten Strukturwandels die vertragliche Sicherung der benötigten Schlachtschweine vorantrieben.

Die Entwicklung hin zu festen Lieferverträgen werde zusätzlich dadurch begünstigt, dass im Juli 2021 die dritte Phase der Initiative Tierwohl (ITW) beginne und zahlreiche Discounter und Supermärkte die verbindliche Einführung von Ware der Haltungsform 2 planten.

Auch in anderen Bereichen werde die Rückverfolgbarkeit der Herkunft oder die Einhaltung von Produktionskriterien wichtiger. „Ein großer Teil an Schweinen dürfte bald in festen Lieferverträgen gebunden sein“, erwartet Kessing. Bereits jetzt seien das bei einigen großen Schlachtunternehmen schon bis zu 70 %.

Margenverteilung in Schieflage



ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack wies darauf hin, dass das vergangene Jahr auch von einem dramatischen Verfall der Schlachtschweine- und Ferkelpreise geprägt gewesen sei. Bei den Schlachtunternehmen seien zwar die Kosten - unter anderem wegen der Corona-Pandemie - gestiegen, doch zeigten die bekannten Jahresabschlüsse der Fleischhersteller deutlich, dass diese - ganz anders als die Schweinehalter - das Krisenjahr 2020 finanziell sehr gut überstanden hätten.

„Hier ist die Erlösverteilung in der Kette gewaltig zu Lasten der Schweinehalter aus den Fugen geraten", kritisierte Staack. Deshalb sei die jetzt geführte Diskussion um die Erlös- und Margenverteilung in der Kette Schweinefleisch genau richtig. Sie müsse nun zum Ergebnis geführt werden, und zwar mit dem Lebensmitteleinzelhandel, aber auch genauso mit den Schlachtunternehmen. „Die Schweinehalter müssen ein ausreichend großes Stück von der Torte abbekommen“, forderte der ISN-Geschäftsführer. Alles andere sei nicht akzeptabel.
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Top 10 der deutschen Schweineschlachtbetriebe
AgE
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