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21.11.2022 | 10:03 | Bodenmarkt 

Weniger BVVG-Flächen für Naturschutzverbände

Berlin - Der monatelange Streit innerhalb der Bundesregierung über den weiteren Umgang mit den Flächen der Bodenverwertungs- und verwaltungsgesellschaft (BVVG) scheint zumindest teilweise beigelegt.

Naturschutzfläche
Knapp 10.000 von ursprünglich geplanten 17.500 Hektar sollen beim Bund verbleiben und in die Verpachtung eingehen - Ressorts bestätigen weitgehende Abkehr von der Privatisierung. (c) proplanta
Das federführende Bundesfinanzministerium hat sich vergangene Woche mit dem Bundeslandwirtschafts- und dem Bundesumweltministerium darauf verständigt, kurzfristig lediglich 7.700 ha naturschutzfachlich wertvolle Flächen der BVVG unentgeltlich in das Nationale Naturerbe (NNE) und damit an Länder sowie Naturschutzstiftungen und -verbände zu übertragen.

Bislang sollte der Flächenumfang 17.500 ha betragen. Die Differenz von 9.800 ha soll zunächst bei der BVVG verbleiben und in die Verpachtung eingehen. Dabei handelt es sich überwiegend um Ackerland. Die Flächen stehen damit - anders als bislang vorgesehen - weiterhin für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung.

Auf längere Sicht sollen diese Flächen in das Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) übertragen werden und damit langfristig für den Naturschutz gesichert werden. Weiterhin keine Einigung zwischen den Ressorts gibt es über die Kriterien, nach denen die BVVG künftig ihre verbleibenden Flächen verpachten soll. Das Bundesfinanzministerium zeigte sich zufrieden. Im Ergebnis sei dies eine „gute Entscheidung für die Landwirtschaft in Ostdeutschland“. Eigentümerverbände sprachen hingegen von einem „faulen Kompromiss zu Lasten des Eigentums und der Versorgung“.

Noch rund 91.000 Hektar

Die Staatssekretäre der beteiligten Ressorts hatten sich bereits im Frühjahr dieses Jahres auf einen Kompromiss zu den BVVG-Flächen verständigt, der anschließend aber von Bundesfinanzminister Christian Lindner wieder einkassiert worden war. Ein Knackpunkt war dabei die Übertragung von Naturschutzflächen. Auf eine Kehrtwende in der Privatisierungspolitik hatten sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag verständigt.

Landwirtschaftlich genutzte Flächen sollten nicht mehr verkauft, sondern „vorrangig an nachhaltig beziehungsweise ökologisch wirtschaftende Betriebe“ verpachtet werden. Unmittelbar nach Amtsantritt hatte die neue Bundesregierung einen weitgehenden Verkaufsstopp erlassen. Seither werden Flächen weit überwiegend an Ökobetriebe verpachtet. Nunmehr sollen Verkäufe bis 2024 möglich bleiben. Sie sind aber auf jährlich 2.000 ha begrenzt und sollen insbesondere der Erfüllung bestehender Rechtsansprüche von Alteigentümern dienen. Insgesamt verfügt die BVVG noch über rund 91.000 ha LF.

Fatales Signal

Mit scharfer Kritik reagierten die Familienbetriebe Land und Forst sowie die Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen (AfA). Der Vorsitzende der Familienbetriebe, Max von Elverfeldt, nannte es ein fatales Signal, dass die Bundesregierung produktive Acker- und Waldflächen an Naturschutzorganisationen übertragen oder unter naturschutzfachlichen Kriterien verpachten wolle.

Zwar sei es richtig und wichtig, dass viele Flächen weiter in der Nutzung bleiben sollten, räumte von Elverfeldt ein. Allerdings passe der Vorrang des Naturschutzes und von Ökobetrieben nicht in die heutige Zeit. Für den Verbandsvorsitzenden ist damit klar, „die Zeitenwende ist in der Agrar- und Waldpolitik noch nicht angekommen“.

Bei der anstehenden Ausgestaltung der Pachtbedingungen müsse daher dringend nachgeschärft werden. Nach Auffassung des AfA-Vorsitzenden Dr. Eberhardt Kühne schwächt der Bund mit der Einigung das Eigentum und den Rechtsstaat. „Der Bund muss seinen Privatisierungsverpflichtungen für Berechtigte nach dem Ausgleichsleistungsgesetz vollständig nachkommen, anstatt die Flächenkulisse durch politisch gewollte Maßnahmen zu verknappen“, warnte Kühne.

Die vorgesehene Bereitstellung von 2.000 ha zur Erfüllung bestehender Rechtsansprüche reiche bei weitem nicht aus. Bereits jetzt habe die BVVG nach eigener Auskunft nicht mehr genügend Flächen, um die Walderwerbsansprüche von Alteigentümern zu bedienen. Zudem gebe es keine Transparenz zu der Frage, welche Ansprüche künftig noch angemeldet würden.

Auf Kriterien einigen

Zufrieden zeigte sich Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus. Die geplante weitgehende Abkehr von Flächenverkäufen zugunsten der Verpachtung sieht der SPD-Politiker als Bestätigung seiner langjährigen Forderung: „Damit behalten der Bund und mittelbar auch die Länder den Zugriff auf die Flächen, die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Klima- und Artenschutz benötigt werden“, erklärte Backhaus.

Positiv wertet der Minister auch die bereits im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigte Beschränkung der Verpachtung auf ökologisch oder nachhaltig wirtschaftende Betriebe. Nun komme es darauf an, „dass sich die ostdeutschen Länder und der Bund zügig auf die Kriterien einigen, nach denen die Flächen zukünftig zur Pacht vergeben werden können“. Backhaus sieht sein Land als Vorbild und bietet an, zukünftig die Verpachtung der BVVG-Flächen im Auftrag des Bundes zu übernehmen: „Wir haben den Weg bereitet und wir haben die Expertise.“.

Rein ideologisch begründet

Die agrarpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ina Latendorf, kritisierte die Teileinigung der Bundesressorts als unzureichend. Sie sprach sich ebenfalls dafür aus, die Verpachtungsmodalitäten schnellstmöglich rechtssicher zu klären. Auch nachhaltig arbeitende Landwirtschaftsbetriebe ohne Öko-Zertifikation müssten an der Verpachtung beteiligt werden, forderte Latendorf.

Scharfe Kritik äußerte der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger. Für ihn ist die vorgesehene weitgehende Beschränkung der Verpachtung auf Ökobetriebe „rein ideologisch“ begründet. Sie diskriminiere die konventionelle Landwirtschaft. „Es geht nicht an, dass der Staat zugelassene Betriebsformen benachteiligt und damit vom Wettbewerb ausschließt“, monierte Straubinger.

Gerade in der aktuellen Ernährungskrise infolge des Krieges in der Ukraine wäre es seiner Auffassung nach wichtig, jede Möglichkeit zur Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion und zur Sicherung der Versorgungssicherheit zu nutzen. Generell seien die Flächen in privater Hand viel besser aufgehoben als in staatlicher: „Bauernland gehört in Bauernhand.“

Existenzgründer berücksichtigen

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) führt den Kurswechsel in Sachen BVVG auf den langjährigen Widerstand von Bäuerinnen und Bauern sowie von Organisationen wie sie gegen die bisherige Privatisierungspolitik zurück. Die AbL verwies auf einen von ihr erarbeiteten Kriterienkatalog für eine gemeinwohlorientierte Verpachtungspraxis, der klimaangepasstes Wirtschaften, regionale Vermarktungswege, Biodiversitätsleistungen und das soziale Engagement der Betriebe honoriere. Zudem sollte die Verpachtung Existenzgründern den Start in der Landwirtschaft ermöglichen.
AgE
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