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15.01.2023 | 04:59 | Milcherzeugung 

Milchmarkt: Erzeugerpreise auch 2023 überdurchschnittlich

Krefeld - Die Milchbauern in Deutschland müssen in den kommenden Monaten wieder mit sinkenden Erzeugerpreisen rechnen, und auch die Molkereiprodukte im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) dürften ihre Preisspitze erreicht haben.

Milchmarkt
Preisgipfel am Milchmarkt ist erreicht - Kostendruck und Strukturwandel in der Milchviehhaltung setzen sich fort - Entwurf zur Tierhaltungskennzeichnungsverordnung wird von Branche abgelehnt - Milchimitate bei Trinkmilch weiter auf dem Vormarsch - Jahrespressekonferenz der Landesvereinigung Milch Nordrhein-Westfalen. (c) proplanta
„Wir werden beim Milcherzeugerpreis aber auch 2023 ein verdammt hohes Niveau im Vergleich zu früheren Jahren haben“, stellte am Mittwoch (11.1.) der Geschäftsführer der Landesvereinigung der Milchwirtschaft in Nordrhein-Westfalen (LV Milch NRW), Dr. Rudolf Schmidt, bei der Jahrespressekonferenz der Vereinigung in Aussicht.

Gleichzeitig dürften die Produktionskosten für die Erzeuger wohl auf einem überdurchschnittlichen Niveau bleiben, was im vergangenen Jahr bereits einen großen Teil des Preisanstiegs „aufgefressen“ habe. Laut Schmidt hat sich der Strukturwandel in der nordrhein-westfälischen Milchviehhaltung trotz hoher Erzeugerpreise 2022 in einem „normalen Tempo“ fortgesetzt.

Die Zahl der Milchkuhbetriebe sank im Vergleich zu 2021 um 3,6 % auf 4.805, obwohl der durchschnittliche Jahresmilchpreis um rund 45 % auf voraussichtlich gut 52 Cent/kg gestiegen war. Im Dezember 2022 lag der Erzeugerpreis für eine Standardmilch im Bereich von 60 Cent/kg; laut Schätzung der Landesvereinigung könnte er 2023 im Jahresmittel zwischen 50 Cent/kg und 55 Cent/kg liegen.

Mehr Betriebsaufgaben



Schmidt rechnet bei einem geringeren Milchgeld und fortgesetzt hohen Produktionskosten mit vermehrten Betriebsaufgaben. Die Investitionsneigung sei aufgrund von Lieferkettenproblemen, unkalkulierbaren Kosten, Planungsunsicherheit und immer mehr politischen Auflagen „zurückhaltend“.

Eine genaue Prognose des Jahresmilchpreises 2023 ist laut Landesvereinigung aufgrund der vielen Unwägbarkeiten schwierig. Dazu zählten eine im Klimawandel mögliche Trockenheit oder Überflutungen mit Auswirkungen auf die Futterversorgung, die Entwicklung der Energie und Produktionskosten, die Exportsituation insbesondere nach China oder die Nachfrageentwicklung bei fortgesetzt hohen Preisen.

Schmerzgrenze verschoben



Laut dem rheinischen Vorsitzenden der LV Milch NRW, Hans Stöcker, hat der historische Preisauftrieb 2022 national wie international die Nachfrage geschwächt und die Konsumenten auf kostengünstigere Produkte umgelenkt. Doch Inflation und Kostendruck würden 2023 nicht verschwinden. „Die Schmerzgrenze für Preise wird sich verändern“, so Stöcker.

Die Verbraucher- und Erzeugerpreise würden nicht auf das frühere Niveau zurückfallen. Dies sei aufgrund der höheren Produktionskosten für die Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln auch nicht möglich. Insbesondere die Milcherzeuger hätten die vergangenen Jahre „von der Substanz gelebt“ und viele Betriebe hätten aufgegeben.  

Mehraufwendungen ausgleichen



Auch wenn die Inflation zu Absatzrückgängen bei teureren Tierwohl- und Bioprodukten geführt hat, sieht der westfälische Vorsitzende der Landesvereinigung, Benedikt Langemeyer, die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen in diesem Bereich nicht abebben.

Hierbei sei festzustellen, dass die Verbraucher durch die Vielzahl von Programmen und Logos verunsichert würden. Nun solle noch die staatliche Tierhaltungskennzeichnung hinzukommen, deren Gesetzesentwurf er „sehr skeptisch“ sehe, so Langemeyer.

Insbesondere die fehlende europäische Lösung dafür bereite ihm „Bauchschmerzen“. Die Branche sei bereit, einen noch nachhaltigeren Weg mitzugehen, stellte der Vorsitzende klar. Die erheblichen Mehraufwendungen müssten jedoch entweder über den Milchpreis oder über gezielte Zahlungen ausgeglichen werden. Geschehe dies nicht, werde der Strukturwandel in der deutschen Milchwirtschaft noch schneller voranschreiten.

„In dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe benötigen wir eine ehrliche Diskussion, um einen verlässlichen Rahmen für alle zu schaffen“ betonte Langemeyer. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) müsse hier Interessen ausgleichen und Lösungen finden.

Milch bleibt Premiumprodukt



Während der Absatz wichtiger Milchprodukte wie Butter, Joghurt, Käse und insbesondere Trinkmilch 2022 im LEH gesunken ist, nahm er laut der Landesvereinigung bei Milchimitaten weiter zu. Hierbei spielt hinsichtlich der Marktbedeutung bisher aber nur die Konsummilch auf pflanzlicher Basis eine größere Rolle. Laut Stöcker hat der LEH die Preise für die Pflanzenmilch nicht so stark angehoben wie bei echter Frischmilch, die 2022 erstmals deutlich mehr als 1 Euro/l kostete.

„Trinkmilch hat viel Konkurrenz durch Imitate, die immer häufiger in den Regalen zu finden ist“, berichtete Stöcker. Er gehe davon aus, dass der Absatz von Milchimitaten weiter zunehmen, aber die Kuhmilch „nicht verdrängen“ werde. Der angeblich schlechte CO2-Fußabdruck der Milchproduktion relativere sich, wenn der gesamte Herstellungsprozess und Kreisläufe betrachtet würden.

Die Kuh auf Grünland fresse ansonsten nicht für die menschliche Ernährung verwertbares Gras und liefere über den Dung wichtige Nährstoffe für Pflanzen. „Milch wird ein Premiumprodukt bleiben“, ist Stöcker überzeugt. Durch ihre Zusammensetzung und Inhaltsstoffe sei sie ernährungsphysiologisch den Imitaten oder Produkten aus dem Bioreaktor überlegen.
AgE
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