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22.09.2023 | 08:25 | Veränderte Landwirtschaft 

Dürrezeiten: Klimawandel macht Landwirten und Feldfrüchten Stress

Nossen - Die Ernte des Jahres ist so gut wie eingefahren, nun richtet sich der Blick wieder nach vorn. Doch Landwirte und Obstbauern haben große Sorgen, wie sie im Klimawandel mit Dürre, Wassermangel und Wetterextremen gute Qualitäten in ausreichender Menge produzieren können.

Kichererbsen
Amaranth, Quinoa oder Kichererbse: Auf Versuchsfeldern in Sachsen wachsen inzwischen auch Kulturen, die man sonst mit anderen Ländern in Verbindung bringt. Der Klimawandel zwingt zum Ausprobieren. (c) proplanta
Für Andreas Jahnel vom Sächsischen Landesbauernverband ist das Jahr 2023 geradezu ein Paradebeispiel, wie es künftig die Regel sein könnte: «Wir kamen von einem Extrem ins andere.» Anfangs sei man optimistisch gewesen, weil es im Winter genügend Niederschläge gab und die Bodenfeuchte sich verbessert habe. Doch dann folgten Dürre und lokale Unwetter.

«Für das Wachstum der Kulturen brauchen wir einen feuchten April und einen feuchten Mai. Es gab in diesem Jahr aber eine Art Blitzdürre. Die im Boden vorhandene Feuchtigkeit ist durch hohe Temperaturen und starken Wind verschwunden», sagt Jahnel, der im Verband unter anderem für Acker-und Pflanzenbau zuständig ist. «Seit 2018 merken wir, dass sich klimatechnisch etwas geändert hat. Zunehmend gibt es längere Trockenperioden. Wir haben eine neue Dimension. Über die letzten fünf Jahre betrachtet fehlt uns ein kompletter Jahresniederschlag, das hat es in den letzten Jahrzehnten so nicht gegeben.»

Der Deutsche Bauernverband hat sich in seiner Mitgliederzeitschrift unlängst mit Auswirkungen des Klimawandels intensiv beschäftigt. Demnach hat sich die Jahresmitteltemperatur in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen 1881 bis heute um 1,7 Grad Celsius erhöht. Ein Großteil davon fand in den vergangenen 30 Jahren statt. «Mit jedem Grad Erwärmung steigt die Verdunstung um rund sieben Prozent. Für eine gleichbleibend gute Wasserversorgung müssten also die Niederschlagsmenge ebenso zunehmen», schreiben die Meteorologen Bianca Plückhahn und Andreas Brömser vom Deutschen Wetterdienst.

Doch die Regenmengen im Frühling sind in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Die Erwärmung führe dazu, dass der Vegetationsbeginn eher einsetzt und die Pflanzen dem Boden auch früher im Jahr Wasser entziehen. Nach langer Trockenheit können auch Starkniederschläge die Lage nicht ausgleichen. Denn der ausgetrocknete und harte Boden ist nicht in der Lage, viel davon aufzunehmen - ein Großteil fließt von den Feldern gleich wieder ab. Fazit: Die Bodenfeuchte sinkt. «Wir brauchen die Bodenfeuchte aber, damit das Saatgut überhaupt keimt. Ohne eine gewisse Wassermenge passiert nichts», sagt Jahnel.

Die immer früher beginnende Vegetationsperiode ist auch bei Obstbauern ein Thema. Denn damit wächst die Gefahr von Spätfrösten, die die Blüte kaputtmachen. «Vor 30 oder 40 Jahren blühten die Apfelbäume zwischen 5. und 10. Mai, jetzt sind wir drei Wochen früher dran», berichtet Udo Jentzsch, Geschäftsführer des Landesverbandes Sächsisches Obst. Deshalb würden nun Bäume gezüchtet, die später blühen oder deren Wurzeln tiefer in die Erde reichen. «Es gibt keine Obstart, die Extreme besonders gut aushält.» Von Trockenheit seien alle betroffen, zu viel Feuchte sei etwa für Kirschen nicht gut.

Andreas Jahnel teilt diese Einschätzung: «Alle Kulturen sind gleichermaßen betroffen. Man kann noch keinen Trend erkennen, welche besser oder schlechter mit dem Klimawandel zurechtkommen.» Auch bei Kulturpflanzen gebe es Trockenstress, der zu Ertragseinbußen und einen Schädlingsbefall führe. «Eine gesunde Pflanze kann Schädlinge besser abwehren. Eine vorgeschädigte Pflanze hat dafür keinen Puffer mehr.» Deshalb würden Forschungseinrichtungen nach Sorten suchen, die für trockene Standorte geeignet sind. Schon innerhalb Sachsens gebe andere klimatische Bedingungen und Bodenverhältnisse. Nordsachsen und Ostsachsen nördlich der Autobahn 4 und gelten als «Dürreregionen».

Ob es im Zuge der Erderwärmung in Sachsen gänzlich neue Kulturen geben wird, ist nach Ansicht Jahnels nicht abschätzbar. Statt Kulturen werde es vielmehr um neue und robuste Sorten gehen. Die ließen sich nicht ohne weiteres aus anderen Ländern importieren. «Denn dort sind sie in der Regel unter anderen Klimabedingungen gezüchtet worden.»

Deshalb laufen in Sachsen Feldversuche in Regie des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Mitunter sind auch Agrarbetriebe eingebunden oder haben schon selbst etwa ausprobiert, so wie die Agrargenossenschaft See eG bei Niesky, die seit 2020 den Anbau von Lavendel testet. Insgesamt gibt es sechs Versuchsfelder, die an verschiedenen Standorten mit unterschiedlichen Böden arbeiten. Das größte von ihnen hat eine Fläche von 67 Hektar und befindet sich in Nossen bei Meißen.

Neuerdings werden hier auch Pflanzen angebaut, die Verbraucher eher aus dem Bioladen kennen: Amaranth, Quinoa, Kichererbse oder Hirse. Mindestens drei Jahre soll getestet werden, ob sich solche Neulinge in sächsischer Erde wohlfühlen. Während anderswo Versuche mit normalen Kulturen und etwa Tröpfchenbewässerung laufen, kümmert sich Nossen um die «Exoten», die manchmal gar nicht so neu sind. Hirse etwa war in diesen Breiten einst weit verbreitet. «Fragen des Klimawandels beschäftigen uns schon lange. Bei den neuen Kulturen machen wir das erst seit diesem Jahr», sagt Beatrix Trapp, Chefin des Referates Multifunktionale Versuchsbasis Pflanzenbau im LfULG.

«Die Prognosen zur Klimaänderung treffen Sachsen prekär. Das zeigen die Dürremonitore», erläutert Trapp. Neue Kulturen würden aber eine Nische bleiben. «Wir kommen in Deutschland von den großen Getreidearten nicht weg.» Roggen sei ja relativ trockenresistent und komme auch auf eher sandigen Böden klar. Innerhalb der Getreidearten gehe es darum, robustere Sorten zu züchten. «Jedes Jahr gibt es ein neues Spektrum. Wenn das Bundessortenamt die Sorten zulässt, prüfen wir sie in unseren Boden-Klima-Regionen und stimmen uns dabei mit Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen ab. Neue Sorten sollen nicht nur klimaangepasst sein, sondern auch mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommen.»
dpa/sn
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