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14.08.2022 | 02:19 | Antibiotika-Verwendung 

Abgabemenge von Antibiotika an Tierärzte deutlich gesunken

Berlin - Die Menge der von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an die Tierärzte abgegebenen Antibiotika in Deutschland ist 2021 deutlich zurückgegangen.

Antibiotikaeinsatz
Verkauf 2021 gegenüber dem Vorjahr um gut 14 Prozent geringer - Innerhalb von zehn Jahren Rückgang von 65 Prozent. (c) Peter Hermes Furian - fotolia.com
Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium am Montag (8.8.) auf Basis der jährlichen Auswertung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mitteilte, nahm die betreffende Menge gegenüber dem Vorjahr um 100 t oder 14,1 % auf 601 t ab. Seit Beginn der der Erfassung 2011 ist ein deutlicher Rückgang von 1.105 t oder 65 % zu verzeichnen.

Erfreulich ist laut dem Berliner Agrarressort vor allem, dass die abgegebenen Mengen der für die Therapie beim Menschen wichtigen Fluorchinolone, Cephalosporine der dritten und vierten Generation sowie für Colistin auf den jeweils niedrigsten Wert seit 2011 sanken.

Wie in den Vorjahren stellten auch 2021 Penicilline mit 235 t und Tetrazykline mit 125 t das Gros der abgegebenen Antibiotika dar; im Vorjahresvergleich kam es hier zu einem Rückgang von jeweils 15,5 %. Die Abgabemenge der Fluorchinolone ist gegenüber 2020 um 12,5 % auf 5,6 t gesunken, bei Cephalosporine der dritten und vierten Generation um 7,7 % auf 1,2 t und Polypeptid-Antibiotika - hierbei handelt es sich überwiegend um Colistin - um 15,0 % auf rund 51 t.

„Die aktuellen Zahlen sind für uns Ansporn, den Einsatz von Antibiotika dauerhaft zu senken“, erklärte die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender. Besonders der Rückgang der Abgabemengen für die Reserveantibiotika sei zu begrüßen. Sie wies darauf hin, dass das Bundeskabinett im Juli die von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgelegte Änderung des Tierarzneimittelgesetzes beschlossen habe. „Damit schärfen wir das derzeit geltende Antibiotika-Minimierungskonzept nach“, hob Bender hervor.

Schärfere EU-Vorschriften angestrebt

Für Colistin, Fluorchinolone und Cephalosporine der dritten und vierten Generation wird laut der Staatssekretärin ein Wichtungsfaktor in das Antibiotika-Minimierungskonzept aufgenommen. Für Tierärzte und Tierhalter werde damit das Signal gesetzt, die Anwendung dieser Mittel auf das unvermeidbare Minimum zu reduzieren. Die Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen stellt laut Bender eine globale Bedrohung dar, und zwar in der Human- wie in der Veterinärmedizin.

Um der Verbreitung von Resistenzen entgegenzuwirken, seien angesichts der grenzüberschreitenden Problematik neben nationalen auch europäische Vorschriften dringend notwendig. Das Bundeslandwirtschaftsministerium setze sich deshalb aktuell auf EU-Ebene dafür ein, dass im europäischen Tierarzneimittelrecht noch ausstehende Regelungen schnellstmöglich auf den Weg gebracht würden, die weitere europaweite Restriktionen für die Antibiotikaanwendung bei Tieren vorsähen.

Nicht nach Tierarten

Laut BVL lassen sich die gemeldeten Wirkstoffmengen derzeit nicht den einzelnen Tierarten zuordnen, da die Mehrzahl der Tierarzneimittel, welche diese Wirkstoffe enthalten, für die Anwendung bei verschiedenen Tierarten zugelassen sind. Das neue, seit Januar 2022 anzuwendende Tierarzneimittelrecht sieht jedoch vor, dass künftig auch die Anwendungen antimikrobieller Arzneimittel bei Tieren erfasst werden. Ein Grund für die gesunkene Abgabemenge könnte dem Berliner Agrarressort zufolge auch im Rückgang der Tierbestände, insbesondere bei Schweinen, liegen.

Lob vermisst

Für den Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) zeigen die Zahlen - ungeachtet aller Kritik - einmal mehr den verantwortungsvollen Umgang der Tierärzte mit Antibiotika. „Wir machen unsere Hausaufgaben“, betonte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder. Er fände es daher angebracht, wenn das Bundeslandwirtschaftsministerium diese eindrucksvolle Leistung der Veterinärmediziner und Tierhalter auch einmal loben würde, statt immer weitere gesetzliche Restriktionen in den Raum zu stellen.

„Die aktuelle Auswertung macht es doch ganz deutlich: Die Tiermedizin trägt in erster Linie zur Antibiotikaresistenzbekämpfung bei“, so Moder. Der bpt ist deshalb der Auffassung, dass es für eine effektive Antibiotikaresistenzbekämpfung keine Verbote brauche, wie zuletzt beim Delegierten Rechtsakt zur Festlegung von Kriterien für die Kategorisierung von Antibiotika der Europäischen Union, die nur dazu führten, dass kranken Tieren nicht mehr alle notwendigen Behandlungsoptionen zur Verfügung stünden.

Therapeutisches Minimum bald erreicht

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) sieht im starken Rückgang des Antibiotikaeinsatzes ebenfalls einen Erfolg, der endlich gewürdigt werden sollte und nicht durch immer mehr Bürokratie torpediert werden dürfe. Natürlich müsse es weiterhin Ziel sein, den Einsatz zu verringern, allerdings werde die Luft für eine weitere Minimierung zunehmend dünner, gibt die ISN zu bedenken. Die Anwendung habe sich nämlich auf einem Niveau eingependelt, das dem therapeutisch erforderlichen Minimum entsprechen dürfte. Weitere Reduktionsziele, die zu Lasten des Tierschutzes gehen könnten, seien nicht akzeptabel.
Vergleich der Antibiotika-Abgabemengen bezogen auf die WirkstoffklassenBild vergrößern
Vergleich der Antibiotika-Abgabemengen bezogen auf die Wirkstoffklassen
AgE
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