Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob angesichts drohender Knappheiten und Preisanstiege der Faktor
Nachhaltigkeit zugunsten der Versorgungssicherheit in den Hintergrund treten muss.
Der Leiter des Thünen-Instituts für
Marktforschung, Martin Banse, hält solche Forderungen für falsch. «Jetzt zu sagen, jetzt werfen wir unsere ganze Agrar- und
Umweltpolitik über Bord und produzieren was der Teufel will, wäre für mich ein völlig falsches Signal», sagte Banse der Deutschen Presse-Agentur.
Angesichts des Krieges gegen die Ukraine befürchten viele Experten steigende Lebensmittelpreise. Dies liegt unter anderem daran, dass die Ukraine ein wichtiger
Exporteur von Weizen ist. Außerdem könnte das für die Stickstoffdüngererzeugung wichtige Erdgas durch den Krieg teurer werden.
Banse sagte, man könne nicht so tun, als seien Probleme wie
Klimawandel oder eine hohe
Nitratbelastung im
Grundwasser Schnee von gestern. «Erst das Fressen, dann die Moral, gilt an dieser Stelle nicht, denn wir haben in der europäischen Landwirtschaft riesige Herausforderungen zu managen», so Banse. Auch
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte in einer Mitteilung am Sonntag betont, die stärkere Förderung für umweltfreundliche
Lebensmittelproduktion zurückzudrehen, sei ein «Holzweg».
Der Koalitionspartner FDP drückt das anders aus: «Die
EU-Agrarminister müssen den Aspekt der Welternährungssicherheit stärker denn je in den Blick nehmen», teilte Carina Konrad, stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, mit. Sie befürchtet durch zunehmende Extensivierung - also weniger Dünger- und Pestizideinsatz oder
Monokulturen - einen Ertragsrückgang. Nachhaltigkeit könne man durch Innovation und Technologien statt Produktionseinschränkungen erreichen, so die Politikerin.
Die bayerische
Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) will bei der
Versorgung mit
Lebensmitteln «nicht in ähnliche Abhängigkeiten wie auf dem Energiesektor kommen». Angesichts der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges sei klar, dass Europa Ernährungssouveränität brauche, sagte sie. Das sollte bei der deutschen
Agrarministerkonferenz Ende März zur Sprache kommen.
In Zeiten der
Globalisierung und offener Märkte sei Ernährungssicherheit von manchen als altmodisch abgetan worden, aber jetzt machten sich die Menschen über die Herkunft der Produkte und Lieferketten wieder Gedanken. Europa müsse sich bei der Lebensmittelversorgung unabhängig machen, um nicht erpressbar zu sein, so die Ministerin. «Dass wir auch aus ethischen, Umwelt- und Klimaschutzgründen
Lebensmittelimporte von anderen Kontinenten reduzieren müssen, verstärkt die Notwendigkeit nur.»
Aber die landwirtschaftlichen Produktionsflächen würden immer kleiner, durch Wohnungsbau, Infrastrukturprojekte, Photovoltaik- und Windkraftanlagen oder für Ausgleichsflächen. Zugleich wolle die Gesellschaft weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel und reduziere damit die Ernten. «Wir müssen in der Europäischen Union alles noch mal auf den Prüfstand stellen», forderte die Ministerin. Aktuell müssten die Verbraucher keine Versorgungsengpässe befürchten, betonte sie.