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21.11.2021 | 01:04 | Schweineseuche 

Afrikanische Schweinepest erreicht Mecklenburg-Vorpommern

Schwerin / Bonn - Nach dem erstmaligen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in einer mecklenburgischen Nutzschweinehaltung im Kreis Rostock sind mittlerweile alle Tiere gekeult worden.

ASP bei Hausschweinen
Erster ASP-Nachweis in Mecklenburg-Vorpommern - Ausbruch in einer Schweinemastanlage mit 4.000 Tieren - Keulung und Tierseuchenmaßnahmen sofort eingeleitet. (c) proplanta
Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hatte am Montag (15.11.) das Vorkommen der Tierseuche amtlich bestätigt, nachdem zuvor mehrere Tiere verendet waren. Wie Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus bei einer Pressekonferenz berichtete, war ein Schweinmastbetrieb mit gut 4.000 Tieren in Lalendorf bei Güstrow betroffen

Dabei handelte es um einen von insgesamt drei Mastställen einer Familie, die von einem dazugehörigen Sauenbetrieb mit Ferkeln in einem geschlossenen System beliefert werden. Dem Minister zufolge ist der „Betrieb sehr gut geführt, der auch am Monitoringprogramm teilgenommen hat“. Bis zum späten Freitagnachmittag (19.11.) war die Ursache des Virus-Eintrags noch ungeklärt. Bekannte Infektionen von Wildschweinen gab es in diesem Bundesland bisher nicht.

Laut Backhaus wurde der Krisenstab des Landes schnell „hochgefahren“ und Absprachen mit Polizei und Jägern wegen der Transportsperren beziehungsweise der nun intensiveren Fallwildsuche von Wildschweinen getroffen. Auch die Sperrzone um den Betrieb mit 3 km Radius sowie eine Überwachungszone mit 10 km wurden zügig eingerichtet. Insgesamt liegen darin 20 Schweinebetriebe, acht davon in der Sperrzone. Aus diesen dürfen Schweine nur noch nach amtsärztlicher Untersuchung und Beprobung verbracht werden.

„Wir müssen nun zusammenstehen, um Schaden von Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland und den Tierhaltern abzuwenden“, betonte Backhaus. Gezielt an die Schlachthöfe richtete er den Apell, auch weiterhin Schweine aus Mecklenburg-Vorpommern zu schlachten. Dies sei auch gut zu machen, da wir bei der ASP „aktuell nur einen Punkteintrag und kein flächenhaftes Geschehen haben“.

Diesen Punkteintrag gelte es, so Backhaus, nun möglichst schnell zu merzen. Dazu soll auch die Schwarzwildjagd intensiviert werden, wobei erlegte Tiere im Umkreis von 10 km um den Ausbruchsbetrieb nicht verwertet, sondern beprobt und entsorgt werden müssen. Dafür wird es eine Entschädigungsprämie von 100 Euro pro Tier geben.

Bund und Land im Clinch

Unterdessen ließ der aktuelle ASP-Fall erneut Streitigkeiten zwischen Ländern und dem Bund bezüglich der Tierseuchenbekämpfung zu Tage treten. Backhaus hatte moniert, dass es noch immer keinen wirksamen Impfstoff gegen die ASP gebe. „Es sind ja nur Tiere, bei Corona geht das alles“, so der Minister. Beim Bau des ASP-Schutzzaunes an der Grenze zu Polen habe es ebenfalls keinerlei Unterstützung von Seiten des Bundes gegeben. Zudem kritisierte Backhaus, dass keine zentrale Koordinierung der Bekämpfungsmaßnahmen gegen die ASP erfolge, was ihn verbittere.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium und Beauftragte für die ASP-Bekämpfung, Peter Feiler, wies die Kritik umgehend zurück. Er betonte, dass es in der Verantwortung von Backhaus als Landesagrarminister liege, „die Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen gegen die ASP sicherzustellen“. Das Berliner Agrarressort unterstütze die Entwicklung eines Impfstoffes gegen die ASP; das FLI sei seit Jahren an entsprechenden Forschungsarbeiten beteiligt.

„Das ASP-Virus ist komplexer als das Corona-Virus“, erläuterte Feiler. Die Entwicklung sei deshalb langwieriger und könne auch mit mehr Geld nicht erzwungen werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium habe zudem bei der EU-Kommission erfolgreich auf eine Mitfinanzierung erforderlicher Zaunbaumaßnahmen hingewirkt und das Schutzkorridorkonzept mitentwickelt. Auch gebe es einen zentralen Krisenstab des Bundes, der die Bekämpfungsmaßnahmen koordiniere, die dann sinnvollerweise vor Ort erfolgen. Auch Mecklenburg-Vorpommern, so Feiler, sei Mitglied dieses Gremiums.

Schlachthöfe sichern Abnahme zu

Die Schweinehalter in Mecklenburg-Vorpommern können indes trotz des ASP-Ausbruchs auf die Unterstützung größerer umliegender Schlachtbetriebe zählen. Laut Backhaus haben ihm die Unternehmen Tönnies mit den Standorten Kelinghusen und Weißenfels sowie Vion mit dem Werk in Perleberg in einer Videokonferenz zugesichert, dass sie Schweine aus Mecklenburg-Vorpommern auch weiterhin ohne jedwede Art von Abzügen annehmen würden, sofern diese nicht aus Beständen in der Sperrzone stammten.

Für die Schlachtstätten stünden diverse Exportzulassungen auf dem Spiel, erläuterte der Minister. Deshalb werde ganz genau hingeschaut, was dorthin geliefert werden dürfe oder nicht. Nach anfänglich anders lautenden Meldungen hat auch Danish Crown (DC) mit seinem Schlachthof in Essen bei Oldenburg erklärt, dass Schweine aus Mecklenburg-Vorpommern einschließlich der Pufferzone angenommen würden.

Nach Angaben der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) scheint es jedoch einzelne Schlachtunternehmen zu geben, die nach wie vor Lieferanten aus den ASP-Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen pauschal aussperren und so stigmatisieren. Dieses unberechtigte und völlig unverständliche Vorgehen dürfe nicht hingenommen werden, betonte die ISN.

Biosicherheit einhalten

ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack rief alle Schweinehalter dazu auf, unbedingt auf eine konsequente Umsetzung bei der Biosicherheit im eigenen Betrieb zu achten. Der neue Fall zeige, wie schnell das Virus vor der eigenen Stalltür stehen könne. „Seien Sie sich bewusst, dass Ihnen Mängel in der Biosicherheit gleich mehrfach auf die Füße fallen können, beispielsweise durch Abzüge bei der Entschädigung durch die Tierseuchenkasse und Versicherung, aber auch bei der Vermarktung Ihrer Tiere, wenn Ihr Betrieb im Restriktionsgebiet liegt“, erklärte Staack.

Er empfehle deshalb, erneut alle Abläufe im Betrieb zu überprüfen, um Schwachstellen und mögliche Eintragsquellen für das Virus in den Bestand zu erkennen und abzustellen. Was die Seuchenbekämpfung bei Wildschweinen in den betroffenen Bundesländern insgesamt angehe, müssten Bund und Länder endlich Hand in Hand agieren. „Mit den - aktuell auch schon wieder zu sehenden - gegenseitigen Schuldzuweisungen für zweifelsohne begangene Fehler muss endlich Schluss sein“, forderte der ISN-Vorsitzende.

Bedrohung nationalen Ausmaßes

Der agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, warf Bund und Ländern vor, beim bisherigen Krisenmanagement der ASP vollkommen versagt zu haben. „Anstatt eine weitere Ausbreitung der ASP zu verhindern, ducken sich die zuständigen Behörden seit über einem Jahr weg und schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Damit muss endlich Schluss sein“, forderte der AFD-Politiker.

Damit der gesamtdeutsche Schweinebestand nicht noch weiter gefährdet werde, müsse die noch amtierende Bundesregierung diese Tierseuche sofort als Bedrohung von nationalem Ausmaß anerkennen. „Eine weitere Ausbreitung der ASP können wir nur mit dem Bau von Schutzzäunen, einer verstärkten Bejagung von Schwarzwild sowie der strikten Einhaltung von Biosicherheitsmaßnahmen auf den Betrieben stoppen“, so Protschka. Besonders wichtig sei auch, dass der Bund den betroffenen Schweinehaltern schnell und unbürokratisch aus der unverschuldeten Krise helfe.

Zehn-Punkte-Plan in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt stellte Landwirtschaftsminister Sven Schulze am Dienstag (16.11.) im Kabinett einen Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung der ASP vor. Derzeit gebe es in diesem Bundesland noch keinen Nachweis der Tierseuche, „doch im schlimmsten Fall ist es nicht eine Frage, ob das Land Sachsen-Anhalt von der Afrikanischen Schweinepest betroffen sein wird, sondern wann“, so der Minister. Hierfür sei es wichtig, bestmöglich vorbereitet zu sein.

Aus diesem Grund habe er das Thema ASP zur Chefsache erklärt und Staatssekretär Gert Zender zum Leiter des Krisenstabs ernannt, teilte Schulze mit. Im Zehn-Punkte-Plan enthalten sind unter anderem eine Neustrukturierung des Krisenmanagements, Finanzmittel für die Ausbildung und den Einsatz von Kadaver-Suchhunden, die Fortführung der Schwarzwildprämie und Beprobung von Kadaverfunden, die Bereitstellung von Equipment sowie kreisübergreifende Tierseuchenübungen auf Landes- und Landkreisebene oder Informationskampagnen.

Neue Risikogebiete in Thüringen

Zunehmend bedroht von einer ASP-Einschleppung sieht sich auch Thüringen und hat deshalb mehrere Landkreise östlich der Autobahn A9 zum Risikogebiet erklärt und Vorsorgemaßnahmen verstärkt. „Mit dem Nachweis der Afrikanischen Schweinepest im sächsischen Landkreis Meißen Mitte Oktober hat sich die Risikobewertung für die östlichen Landesteile Thüringens geändert“, erklärte Gesundheitsministerin Heike Werner am Montag (15.11.).

Es werde deshalb ab sofort dort ergänzend zur Fallwilduntersuchung ein Monitoring aus Blutproben in speziell ausgewiesenen Zonen entlang der Landesgrenze eingeführt. Jedes verendet aufgefundene Wildschwein sollte unverzüglich beim örtlich zuständigen Veterinäramt gemeldet werden, wozu nicht nur Jäger, sondern alle Bürger aufgerufen seien. Je nach Maß der aktiven Beteiligung werde eine Meldung mit bis zu 75 Euro Aufwandsentschädigung belohnt.

„Eine effektive Tierseuchenbekämpfung kann nur gelingen, wenn ein Eintrag in die Wildschweinpopulation Thüringens frühzeitig erkannt wird“, betonte Werner. Zudem wurde die Entsorgung sämtlicher, nicht für die Lebensmittelgewinnung verwendeter Reste des Tierkörpers von gesund erlegten Wildschweinen angeordnet. Das Vergraben oder Zurücklassen im Wald ist somit ab sofort in den östlichen Risikogebieten untersagt.

Katastrophe mit Ansage

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, bezeichnete den jüngsten ASP-Fall als „Katastrophe mit Ansage, für die Tiere, aber auch für die Tierhalter“. Hätte die Politik die Tierseuche so ernstgenommen wie Corona und ausreichend Geld in die Impfstoffforschung investiert, dann wären wir jetzt deutlich weiter. Alles, was Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eingefallen sei, sei Zaunbau, Wildschweinjagd und die mit erheblichem Tierleid verbundene Aufstallungspflicht für Freiland- und Auslaufhaltungen.

„Die ASP ist ein weiterer Beleg für ein Haltungssystem, das durch politisches Nichthandeln vor die Wand gefahren wurde“, so Schröder. Ähnlich sieht das der Agrarbiologe Dr. Dirk Zimmermann von Greenpeace, der den Seuchenfall im Kreis Rostock als „Alarmsignal für eine Agrarwende“ verstanden wissen will.

Die ASP lasse sich nicht mit Zäunen aufhalten und sei auch Resultat agrarpolitischer Fehlentscheidungen, die aus Gründen des Wettbewerbs zu einer immer intensiveren Haltung geführt hätten. Die designierte Ampelkoalition, so Zimmermann, müsse endlich den Umbau der Tierhaltung vorantreiben und die Bedingungen für eine artgerechte Haltung mit insgesamt deutlich weniger Tieren schaffen.
AgE
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