Der Agrarbetrieb bei Perleberg (Prignitz) hat vor vier Jahren groß in die
Milchviehhaltung investiert. Rund 2,3 Millionen Euro flossen insbesondere in ein neues Milchkarussell zum automatischen Melken der Kühe sowie in neue Ställe.
Rund 400 Milchkühe stehen derzeit bei Milatz auf dem Hof ganz in der Nähe der Bundesstraße 5, etwa 330 davon werden derzeit gemolken, erzählt der Geschäftsführer. Über 20.000 Liter Milch liefert die
Agrargenossenschaft Quitzow täglich an eine Großmolkerei in Upahl in Mecklenburg. Mit der Millioneninvestition habe der
Betrieb nun eine Perspektive für zehn bis 15 Jahre, sagt Milatz. Doch er weiß auch: Viele
Milchviehhalter in Brandenburg haben in den vergangenen Jahren einen anderen Weg gewählt und ihre Produktion eingestellt.
Die Daten der «Landwirtschaftszählung» des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg belegen einen eindeutigen Trend, wie der
Landesbauernverband Brandenburg (LBV) in Teltow mitteilt. Gab es demnach zum Stichtag 1. März 2013 gut 600
Betriebe mit Milchkühen im Land, waren es am 1. März 2020 noch rund 380. Für das laufende Jahr schätzt der
LBV die Zahl der Milchviehbetriebe auf maximal 280, offiziell bestätigt ist diese Zahl aber noch nicht.
Damit einher geht auch eine sinkende Zahl von Milchrindern in Brandenburg. Rund 161.200 waren es laut Amt für Statistik noch im Jahr 2010, gut 131.200 wurden in diesem Jahr gezählt. Jährlich geben nach Darstellung des LBV rund 20 bis 30 Betriebe die
Milchproduktion auf. Gründe dafür sieht der
Bauernverband gleich mehrere: Insbesondere verschiedene Milchkrisen, bei denen ein Angebotsüberschuss für einen niedrigen
Erzeugerpreis gesorgt habe.
Auch die Abschaffung der EU-weiten Milchquote im Jahr 2015 - also eine politisch festgelegte Menge an Milch, die ein Erzeuger produzieren durfte - hat sich laut LBV negativ ausgewirkt. Nach der Abschaffung machten
Preisschwankungen und niedrige Erzeugerpreise ein nachhaltiges Wirtschaften nicht möglich.
Doch auch die mäßigen bis schlechten Ernten der vergangenen drei bis vier Jahre aufgrund von
Dürre hätten zu Futterknappheit geführt, ebenso mache sich auch in der Landwirtschaft der zunehmende Fachkräftemangel bemerkbar. Hinzu kämen politische Rahmenbedingungen wie der steigende Mindestlohn, so der Bauernverband.
Diese Probleme kennt Helge Milatz von der Agrargenossenschaft Quitzow ebenfalls. Eine Tonne
Rapsschrot als Futtermittel koste mittlerweile zwischen 400 und 500 Euro, früher seien es 200 bis 250 Euro gewesen. Doch durch entsprechende Verträge sei es möglich, die Kostensteigerungen zu begrenzen, sagt der Geschäftsführer. Und der Milchpreis sei zuletzt deutlich gestiegen, mittlerweile liege er bei rund 50 Cent pro Liter.
«Das ist in diesem Jahr kostendeckend», sagt Milatz. Er erwartet diesmal einen Gewinn aus der Milchviehhaltung. Früher habe man diese oft quersubventionieren müssen durch Erträge vom Feldbau oder der eigenen Biogasanlage. «Die 50 ist die neue 30», meint Milatz - das heißt: bei den aktuellen Kostensteigerungen müsse der Milchpreis bei mindestens 50 Cent liegen, früher habe man mit 30 Cent kalkuliert.
Dabei setzt die Agrargenossenschaft Quitzow auf mehrere Standbeine: Die mehr als 50 Mitglieder bewirtschaften rund 2.600 Hektar
landwirtschaftliche Nutzfläche, davon rund 300 Hektar Grünland, die übrige Fläche ist Ackerland. Neben der Rinder- und Milchviehzucht werden hier auch Mais und Kartoffeln angebaut, berichtet Milatz.
Damit gehört die
Genossenschaft zu den größeren Betrieben in der Region. Ganz anders sieht es bei Reinhard Jung einige Kilometer weiter in Lennewitz (Gemeinde Legde/Quitzöbel) aus. In dem Prignitzdorf betreibt Jung eine kleine Landwirtschaft mit 40 Hektar reinem Grünland im Nebenerwerb. Er engagiert sich zudem als Geschäftsführer der «Freien Bauern» in Brandenburg.
Der Verband entstand erst vor zwei Jahren auf Bundesebene und sieht sich als Interessenvertretung der familiengeführten Landwirtschaftsbetriebe. Seine Wurzeln liegen im 1993 gegründeten Bauernbund Brandenburg, der nach eigenen Angaben aktuell rund 480 Mitglieder hat und sich heute als Landesverband der Freien Bauern versteht.
«Wahnsinnig viele» kleine Milchbauern hätten in den vergangenen Jahren aufgehört, zumal die Milchviehhaltung sehr arbeitsintensiv sei. Und für die familiengeführten Betriebe komme ein weiterer, für sie wichtiger Punkt hinzu: Die
Marktmacht der
Molkereien müsse zurückgedrängt werden, fordert Jung.
«Wir fordern eine
Verordnung, dass Milchlieferungen an Molkereien auf Grundlage eines Vertrages erfolgen, in dem Menge und Preis stehen», so Jung. Nur, wenn die Bauern «auf Augenhöhe» mit den Molkereien verhandeln, könnten Rahmenbedingungen für stabile Marktverhältnisse geschaffen werden.
Doch auch bei den
Kleinbauern sorgt der zuletzt deutlich gestiegene Milchpreis für eine gewisse Beruhigung. «Wir verdienen endlich wieder an der Milch», meint Landwirt Jung. Doch er schränkt zugleich ein: «Es sind noch Löcher aus den letzten Jahren zu stopfen.»
Und Jung ist skeptisch, ob der Milchpreis auf dem jetzigen Stand bleibt. «In dem Moment, wo breite Schichten verarmen, werden sie bei
Lebensmitteln sparen», befürchtet der Verbandsgeschäftsführer. «Das Damoklesschwert einer sinkenden Nachfrage hängt über uns.»