Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
27.03.2022 | 04:16 | Fleischkonsum 

Fleischverzicht wird Putin nicht stoppen

Bonn - Die von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir kürzlich in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ gemachte Äußerung, „weniger Fleisch zu essen wäre ein Beitrag gegen Putin“, ist beim Verband der Fleischwirtschaft (VDF) wie auch bei der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) auf scharfe Kritik gestoßen.

Fleischkonsum
Nutztiere wandeln nicht essbare Biomasse in Fleisch und Milch für Menschen um - Futtergetreide für menschliche Ernährung oft ungeeignet. (c) proplanta
Der VDF betonte, dass „eine weitere Reduktion der Tierbestände in Deutschland kontraproduktiv“ sei. Eine Einschränkung der Tierhaltung in Deutschland hätte nämlich einen Angebotsrückgang des natürlichen Wirtschaftsdüngers und einen noch höheren Einsatz von Mineraldünger zur Folge.

Dessen Produktion basiere jedoch auf großen Mengen anÖl und Gas, die aus Russland importiert würden. Mit dem Verkauf dieser fossilen Energieträger finanziere Russland jedoch derzeit seinen Feldzug in der Ukraine. Dem VDF zufolge ist die Landwirtschaft ein komplexes Netzwerk, in dem man Tiere und Pflanzen nicht trennen kann.

Das Bindeglied sei die nicht-essbare Biomasse. Bei allen hergestellten pflanzlichen Lebensmitteln werde neben der eigentlichen Frucht nämlich auch ein deutlich größerer Teil an nicht essbarer Biomasse wie Stängel oder Blätter geerntet. Die Ernteprodukte selber würden weiterverarbeitet, etwa zu Mehl, Zucker, Öl.

Insgesamt entstünden in der Landwirtschaft mit jedem Kilogramm veganem Lebensmittel etwa 4 kg nicht-essbarer Biomasse. Nur Nutztiere seien in der Lage, diese nicht für die menschliche Ernährung verwendbare Biomasse zu verdauen und so hochwertiges Fleisch und Milch zu erzeugen.

Borchert-Vorschläge umsetzen

Aus Sicht des VDF ist stattdessen ein schnelles Handeln in anderen Feldern notwendig. So habe es bei der Transformation zu mehr Tierwohl und der Haltungskennzeichnung in der Politik bisher wenig Bewegung gegeben. Die Wirtschaft habe dagegen längst gehandelt.

Seit 2019 sind laut VDF beispielsweise Fleischverpackungen in großen Supermärkten und Discountern durch eine vierstufige Haltungsform gekennzeichnet. Sie informiere, wie die Tiere bis zur Schlachtung gelebt hätt. So könnten Konsumenten schon jetzt durch eine aktive Kaufentscheidung das Tierwohl in der deutschen Tierhaltung unterstützen.

Außerdem wies der Verband darauf hin, dass die von einem breiten Konsens der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft, Verbrauchervertretern sowie Tier- und Umweltschutzorganisationen getragenen Vorschläge des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung für mehr Tierwohl auf dem Tisch des Ministers lägen. „Sie müssen jetzt in die Umsetzung gebracht werden“, mahnte der VDF.

Stammtischparolen helfen nicht

ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack bezeichnete die Äußerungen Özdemirs zum Fleischverzicht gegen Putin als „Pauschalierung und Vereinfachung, dass man sie getrost als Stammtischparole“ bezeichnen könne. Abgesehen davon, dass der Schweinebestand in Deutschland schon erheblich reduziert worden sei, seien die Zusammenhänge weitaus komplexer.

Hinter der Aussage Ministers, dass 60 % des Getreides in Futtertrögen lande, stehe die Annahme, dass dieses auch direkt auf dem Teller landen könne. Dabei handle es sich hierbei aber entweder um reines Futtergetreide oder wie beim Weizen um speziell auf die Fütterung ausgerichtete Getreidesorten, die nicht die entsprechenden Backqualitäten und Inhaltsstoffe mit sich brächten, erklärte Staack.

Zudem würden Extraktionsschroten aus der Ölgewinnung als proteinreiches Futter für das Vieh genutzt, welche für den Menschen nicht anders nutzbar seien. „Wenn man das alles berücksichtigt, sieht die Bilanz für die Tierhaltung schon ganz anders aus und die Mär vom Fleischverzicht gegen Putin löst sich schnell auf“, so Staack, der „fachliche Lösungen statt Stammtischparolen“ von Minister Özdemir forderte.

Potentiale nutzen

Der ISN-Geschäftsführer hob ebenfalls die Bedeutung der Tierhaltung für den Pflanzenbau hervor, die aktuell angesichts der Mineraldüngerknappheit sichtbar wie selten zuvor werde. „Tierhaltung ist ein wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft", bekräftigte Staack.

„In Zeiten der Energieknappheit sollten wir froh sein, dass wir mit den Wirtschaftsdüngern aus der Tierhaltung einen größeren Teil der mit großem Energieaufwand hergestellten Mineraldünger ersetzen können. Statt die Tierhaltung unter Beschuss zu nehmen, sollte man sich besser darauf konzentrieren, die verfügbaren Potentiale zu nutzen - im Ackerbau, in der Tierhaltung und auch bei der Energiegewinnung“, forderte Staack.

Dabei müsse die Nutzung von Stilllegungsflächen genauso in den Fokus rücken, wie mehr Spielraum bei der Düngung, welche die Erzeugung von Brotgetreide überhaupt erst möglich mache. In der Tierhaltung heiße es, noch stärker als bisher die Potentiale in Sachen Futtereffizienz zu nutzen.
AgE
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Viele Menschen mögen Tiere - manche als Hausgenosse, manche auf dem Teller

 Union für EU-Importverbot für Agrarprodukte aus Russland

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Litauen dringt auf mehr Zölle für russische Lebensmittelimporte

 Ukraine darf auf Verlängerung des Agrarabkommens hoffen

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken