Der VDF betonte, dass „eine weitere Reduktion der Tierbestände in Deutschland kontraproduktiv“ sei. Eine Einschränkung der Tierhaltung in Deutschland hätte nämlich einen Angebotsrückgang des natürlichen Wirtschaftsdüngers und einen noch höheren Einsatz von
Mineraldünger zur Folge.
Dessen Produktion basiere jedoch auf großen Mengen anÖl und Gas, die aus Russland importiert würden. Mit dem Verkauf dieser fossilen
Energieträger finanziere Russland jedoch derzeit seinen Feldzug in der Ukraine. Dem VDF zufolge ist die Landwirtschaft ein komplexes Netzwerk, in dem man Tiere und Pflanzen nicht trennen kann.
Das Bindeglied sei die nicht-essbare Biomasse. Bei allen hergestellten pflanzlichen
Lebensmitteln werde neben der eigentlichen Frucht nämlich auch ein deutlich größerer Teil an nicht essbarer Biomasse wie Stängel oder Blätter geerntet. Die Ernteprodukte selber würden weiterverarbeitet, etwa zu Mehl, Zucker, Öl.
Insgesamt entstünden in der Landwirtschaft mit jedem Kilogramm veganem
Lebensmittel etwa 4 kg nicht-essbarer Biomasse. Nur Nutztiere seien in der Lage, diese nicht für die menschliche
Ernährung verwendbare Biomasse zu verdauen und so hochwertiges Fleisch und Milch zu erzeugen.
Borchert-Vorschläge umsetzenAus Sicht des VDF ist stattdessen ein schnelles Handeln in anderen Feldern notwendig. So habe es bei der Transformation zu mehr
Tierwohl und der Haltungskennzeichnung in der Politik bisher wenig Bewegung gegeben. Die Wirtschaft habe dagegen längst gehandelt.
Seit 2019 sind laut VDF beispielsweise Fleischverpackungen in großen Supermärkten und Discountern durch eine vierstufige
Haltungsform gekennzeichnet. Sie informiere, wie die Tiere bis zur Schlachtung gelebt hätt. So könnten
Konsumenten schon jetzt durch eine aktive Kaufentscheidung das Tierwohl in der deutschen Tierhaltung unterstützen.
Außerdem wies der Verband darauf hin, dass die von einem breiten Konsens der Agrar- und
Lebensmittelwirtschaft, Verbrauchervertretern sowie Tier- und Umweltschutzorganisationen getragenen Vorschläge des Kompetenznetzwerks
Nutztierhaltung für mehr Tierwohl auf dem Tisch des Ministers lägen. „Sie müssen jetzt in die Umsetzung gebracht werden“, mahnte der VDF.
Stammtischparolen helfen nichtISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack bezeichnete die Äußerungen Özdemirs zum Fleischverzicht gegen
Putin als „Pauschalierung und Vereinfachung, dass man sie getrost als Stammtischparole“ bezeichnen könne. Abgesehen davon, dass der
Schweinebestand in Deutschland schon erheblich reduziert worden sei, seien die Zusammenhänge weitaus komplexer.
Hinter der Aussage Ministers, dass 60 % des Getreides in Futtertrögen lande, stehe die Annahme, dass dieses auch direkt auf dem Teller landen könne. Dabei handle es sich hierbei aber entweder um reines
Futtergetreide oder wie beim Weizen um speziell auf die Fütterung ausgerichtete Getreidesorten, die nicht die entsprechenden Backqualitäten und Inhaltsstoffe mit sich brächten, erklärte Staack.
Zudem würden Extraktionsschroten aus der Ölgewinnung als proteinreiches Futter für das
Vieh genutzt, welche für den Menschen nicht anders nutzbar seien. „Wenn man das alles berücksichtigt, sieht die Bilanz für die Tierhaltung schon ganz anders aus und die Mär vom Fleischverzicht gegen Putin löst sich schnell auf“, so Staack, der „fachliche Lösungen statt Stammtischparolen“ von Minister Özdemir forderte.
Potentiale nutzenDer ISN-Geschäftsführer hob ebenfalls die Bedeutung der Tierhaltung für den
Pflanzenbau hervor, die aktuell angesichts der Mineraldüngerknappheit sichtbar wie selten zuvor werde. „Tierhaltung ist ein wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft", bekräftigte Staack.
„In Zeiten der Energieknappheit sollten wir froh sein, dass wir mit den Wirtschaftsdüngern aus der Tierhaltung einen größeren Teil der mit großem Energieaufwand hergestellten Mineraldünger ersetzen können. Statt die Tierhaltung unter Beschuss zu nehmen, sollte man sich besser darauf konzentrieren, die verfügbaren Potentiale zu nutzen - im
Ackerbau, in der Tierhaltung und auch bei der Energiegewinnung“, forderte Staack.
Dabei müsse die Nutzung von Stilllegungsflächen genauso in den Fokus rücken, wie mehr Spielraum bei der Düngung, welche die Erzeugung von
Brotgetreide überhaupt erst möglich mache. In der Tierhaltung heiße es, noch stärker als bisher die Potentiale in Sachen Futtereffizienz zu nutzen.